Das Wort «gerecht» eines der wichtigsten, aber auch eines der am meisten missbrauchten Wörter, gerade in der politischen Rede.
«Kemmen’s zurecht?» fragt die aufmerksame Gärtnerin die unentschlossen wirkende Käuferin inmitten der vielen kleinen Salatpflänzchen in der von einer Glaskuppel überdachten Halle des Gartenmarktes.
«War’s recht?» fragt die Kellnerin beim Abräumen im Wirtshaus. Nein, pflege ich zu sagen – sofern begründet – es war ausgezeichnet!
«All’s wos guet und recht isch!» regte meine Mutter sich brüsk auf, wenn wir Kinder etwas Ungehöriges taten oder sie etwas im Ort oder an den Läufen der Gesellschaft tadeln wollte, was ganz und gar nicht in Ordnung war.
«Grad zurecht» ist eine der Lieblingsformeln aus meiner südtirolischen Muttersprache.
Wieder denke ich da an meine Mutter, eine begnadete Köchin, wie sie gerade den Kostlöffel absetzt und mit durch und durch zufriedener Miene feststellt, dass die Suppe richtig angesetzt, gewürzt und als rundum gelungen betrachtet werden kann.
In meiner kleinen Welt ist ihr Gesicht und dieses Wort «Grod z’recht», verbunden mit dem Duft von Küche, die Urbedeutung von «gerecht».
Kein Proseminar, keine Kirchenpredigt und kein Zeitungsartikel kann diese sinnliche Bedeutung von «recht» sein und somit «gerecht» sein übertrumpfen. So einfach und ursprünglich das Bewusstsein von Gerechtigkeit ist, so schwierig ist es, in höheren Dingen gerecht zu sein und Gerechtigkeit herzustellen.
Das hat damit zu tun, dass es ganz leicht gelingt, mit dem Wort «gerecht» zu betrügen. Etwas als «gerecht» hinzustellen, was sich bei praktischer Prüfung eben nicht als «grad zurecht» herausstellt, und in Wahrheit Betrug oder Pfusch ist.
Bis das auffliegt, kommen viele buchstäblich «nicht mehr zurecht». Und auf die Frage der Kellnerin «War’s recht?» würden sie irgend etwas murmeln und sich denken‚ mich siehst du hier nie wieder.
Wenn’s dann um die Wurst geht, gibt es Aufruhr, Streit und Elend. Weil es im Leben immer um kleine oder große Würste geht, ist das Wort «gerecht» eines der wichtigsten, aber auch eines der am meisten missbrauchten Wörter, gerade in der politischen Rede.