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DIE SPRACHE DER HYBRIS

Georg Dekas
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22. Juni 2023

Demokratische Sprache darf derb sein, aber niemals überheblich.

Eines ist es, den eigenen Standpunkt mit aller Kraft – auch des Wortes – zur Geltung zu bringen. Ein anderes ist es, dabei die Sprache des arroganten Besserwissers zu benutzen. Wer das tut, lässt den Gegner oder Andersdenkenden wie einen Depp oder Schuft da stehen, noch bevor die Sache, um die es geht, ordentlich aus- und abgewogen ist.

Hybris nannten die alten Hellenen die Anmaßung, den Dünkel, den Hochmut, das sich besser und höher Fühlen als andere. Superbia nannten es die (Kirchen-) Lateiner. Übermensch und Untermensch hieß es vor 100 Jahren im Herzen Europas.

In unseren Tagen feiert der moralistische Hochmut wieder Urständ. Die Großen machen uns das täglich vor, aber auf die muss ich ja nicht eingehen, deren Sprüche kennt man. Nein, die Hybris hat sich bis ins Unterholz geschlichen. Die Daneben-Rede der SVP-Senatorin sei an dieser Stelle überflogen.

Überheblichkeit kommt bevorzugt in der sprachlichen Meta-Ebene zur Geltung. Ein sicheres Anzeichen für Hochmut ist die oft schlecht verhüllte Gehässigkeit in der Wortwahl.

Ich bringe ein aktuelles Beispiel aus meiner Nähe.

In einer Aussendung klatschen Gegner der Standseilbahn Meran Schenna (das „Komitee“) Beifall für einen Bürgermeister, der aus ihrer Sicht nicht ganz so dumm zu sein scheint wie andere (Zitat aus Dolomiten, 22.06.2023):

„Bravo für Bürgermeister [X], der in der Lage ist […] über den Tellerrand eines kommunalen Mandats hinauszuschauen“

Noch weniger Achtung als für Vorsteher von Gemeinden haben die Seilbahngegner für eine ziemlich populäre Partei:

[Bürgermeister] „der in der Lage ist, sich von den opportunistischen Ansichten seiner Partei (SVP) zu lösen …“ (a.a.O.)

Man sieht geradezu den großen, gescheiten Kopf über der Lupe, der dem armen Bürgermeister-Käfer da unten zusieht, wie der sich mühsam aus einem Häufchen Mist wühlt.

Einbildung ist keine Bildung

In der politischen Sprache einer Demokratie ist das Hybris pur. Oder einfach nur Eingebildetheit, würden wir normal sagen. Auf jeden Fall tut sich das Komitee mit solchen Bravo-Zurufen von oben herab keinen Gefallen in der Sache. Der Bürgermeister, um den es geht, hat schon selber einen Kopf und weiß was er tut. Und fühlt sich sicher nicht von opportunistischen Kriechern umgeben.

Auch der Bürgermeister…

Derselbe Bürgermeister, um den es hier geht, tappt leider auch selbst allzu gerne in die Falle der Superbia – auf der Meta-Ebene versteht sich. Weil er für den Landtag kandidiert, macht er kleine Videoansprachen im Netz. Da war vor nicht allzu langer Zeit die Rede von Raubtieren in den Alpen – also bei uns. Konkret ging es um Maßnahmen gegen Bär und Wolf. Anstatt gleich zur Sache zu kommen, fühlt sich der Bürgermeister berufen, zuerst einmal die Freunde von Wolf und Bär zur Schnecke zu machen – und das, o Superbia, von der Position des Besserwissers, des Bedeutenderen, des Berufenen aus. Hier die fragwürdige Wortspende (Zitat aus YT-Video):

«Schauspieler, Sportler, Talkshow-Moderatoren, Influenzer und allerhand andere C-Promis ergreifen ungefragt das Wort [… ] umgekehrt proportional zur Kompetenz in der Sache. Anders ausgedrückt: Ganz viel Meinung und ganz wenig Ahnung. … Respekt vor den Menschen, die seit vielen Generationen in den Alpen leben und arbeiten, kennt man nicht mehr.»

 

C-Promis? Und was ist der, der da spricht?

Ergreifen ungefragt das Wort? Wen müssen sie denn fragen?

Umgekehrt proportional zur Kompetenz? Dürfen nur „Experten“ reden?

Viel Meinung, wenig Ahnung? Viele Meinungen im Raum zu haben ist saudumm, gell? Lieber nur eine, die meine.

Respekt kennt man nicht mehr? Insider sollen das Sagen haben, nicht das unbedarfte Volk…

Die hier zutage tretende Metternich’sche Autoritätspose samt Anbiederung an Alpen-Öhis passt haargenau zu den Belehrungen, die der selbige Bürgermeister zur Covid-Zeit großmütig auf uns Ahnungslose herabgelassen und alle gelobt hat, die „im Geschichteunterricht aufgepasst“ haben…

 

Liebe Leute aus Lanan, Meran, Schennan, lebendige Demokratie geht anders. Sie ist nicht die perfekte Regierungsform, aber gerade deshalb anderen Systemen von Eliten und Allwissenden am Ende überlegen.

Nur den Überlegenheitsdünkel, den verträgt Demokratie am wenigsten. Streiten gerne. Kraftvolle, klare Haltung und Sprache immer, aber: Nein zur Sprache der Hybris!

 

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