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Uno non vale uno

Georg Dekas
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22. Dezember 2022

In einer Welschtiroler Zeitung schreibt heute Antonio Merlino über die austauschbaren Gesichter der Politiker und die Übermacht der Parteizentralen. Ein bissl zu viel des Pessimismus und des Alle-über-einen-Kamm-Scherens.

Absolut einverstanden und höchst notwendig, dass Antonio Merlino hinweist auf die schädliche Macht der Parteien. Er sagt, sie bedeuten eine Krise der Demokratie. Ich sage statt Demokratie Guter Staat. Demokratie und andere Bezeichnungen sind oft nur Etiketten von beschränktem Wert: Was zählt, ist ein wohlgeordnetes Gemeinwesen. Dies ist eine uralte und leider aus der Mode gekommene Vorstellung, dass Gerechtigkeit, Friede und Freiheit ihre wohltuende Wirkung  entfalten können nur im Gleichgewicht zueinander und nur in einer kunstvoll aufgebauten und bewahrten Ordnung.

Sicher ist die Demokratie eine der verträglichsten Arzneien für den Gesellschaftskörper: Aber nur in ihrer ursprünglichen, d.h. auf kleine Gemeinwesen angepassten Form. Wird das Gemeinwesen eine Masse, ist die Oligarchie und die Autokratie vorprogrammiert. Auch wenn auf dem Etikett noch Demokratie drauf steht.

Merlino tut einen wertvollen Dienst, wenn er mit wachsamem Auge Fehlentwicklungen anzeigt, die aus Demokratie unversehens einen Gifttrank machen. Der Intellektuelle mit dem Alttiroler Curriculum macht hier in erster Linie auf die schädliche Wirkung von Wahlgesetzen aufmerksam, die den Parteien eine oligarchische Macht verleihen, die Wähler zu Erfüllungsgehilfen degradieren und die Bürger damit um ihre echte Wahlmöglichkeit prellen. Ich habe selbst darauf hingewiesen im Zusammenhang mit der Koalitionsbindung nach der Wahl statt vor der Wahl, Anti-Beispiel Deutschland.

Heute sagt Merlino, auch mit Blick auf die neue Regierung in Rom:

„Cambiano le facce. Restano le miserie iscritte sulle facce. Intercambiabili.“

Um den Standpunkt von Merlino zu würdigen, brauchen wir nicht einmal nach Rom schauen, wie es Merlino für sein Lesepublikum tut. Uns genügen das Bozen Kompatschers, das grüne Wien und das grünrote Berlin – was heißt, dass Demokratie-Alarm in ganz Europa angesagt ist. Und erst Recht große Gefahr für das wohl geordnete Gemeinwesen.

Antonio Merlino geht mir persönlich zu weit, wenn er darüber in einen traurigen Polit-Pessimismus verfällt, der ihn durch die Meloni-Regierung überkommen zu haben scheint.

„I partiti populisti … hanno applicato il principio dell’eguaglianza degli intelletti, ossia che uno vale uno … raccattare … collocare … farlo eleggere … Et voilà … politici mediocri dotati principalmente dalla sola qualità dell’obbedienza al capo-partito.“

Wenn er überall in der Politik nur austauschbare Gesichter und Mittelmäßigkeit sieht, so muss man ihm sagen, das ist nicht erst seit gestern. Im Gegenteil. Die von ihm beklagte oligarchische Wendung, welche laut Merlino die austauschbaren Parteisoldaten hervorbringt, die hat ja gerade unter den technokratischen Regierungen der Linken stattgefunden.

Wahl-Enthaltung hin oder her – am 25. September 2022 hat das italienische Volk überraschend klar gesagt, was es will. Es wählte eine Frau, die klar gesagt hatte, was sie will.

Und von dem Klaren, was Giorgia Meloni gesagt hatte, war ganz deutlich herauszuhören, dass die Mittelmäßigkeit und das Sich-Verstecken hinter der Austauschbarkeit, der gleichmacherische Zeitgeist, das «uno vale uno», gerade NICHT zu ihrem Vademecum gehört.

Es ist das Gegenteil dessen, was Merlino heute im Leitartikel des «Il Nuovo Trentino» sagt.

 

Die Gleichmacherei ist definitiv ein Hobby der Grünroten, der Feministen und der Woken – nicht aber der Konservativen (die Merlino undifferenziert Populisten zu nennen beliebt).

Sicher, es bleibt noch viel zu tun, und die Idee einer wohlgeordneten Gemeinschaft wird für immer ein Fernziel bleiben: Aber wehe uns, wenn wir nicht danach streben! Ubiquitärer Pessimismus, so geistreich und elegant er auch vorgetragen sein mag, ist auch ein Gift, das die Demokratie korrodiert.

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