Fast wäre es vom Tisch gewesen, das widersinnige Gespinst einer Stand- und Höhlenbahn durch den Küchelberg.
Doch vor der entscheidenden Abstimmung im Stadtrat von Meran bekam Bürgermeister Dal Medico höchst vermutlich einen letzten Anruf aus Bozen.
Ja wenn was herausschaut…
Zwei Stunden vor der Sitzung zog der Meraner Bürgermeister den Beschlussantrag zum umstrittenen Verkehrs-Infrastruktur-Projekt des Landes Südtirol (La Provincia) zurück. Seine Rechtfertigung hinterher lässt einige Rückschlüsse zu. Verstärkt werden diese durch die Reaktionen der beiden politischen Nein-Sager im Rat, Zaccaria und Casolari: «Wenn für Meran etwas herausschaut, naja, dann…». Was da im ‚off records‘ gelaufen ist, wird somit sonnenklar: Die Meraner sind klamm und hängen mit mehreren Vorhaben, vor allem mit dem total aus der Zeit gefallenen, mastodontischen Pferderennplatz von Mussolinis Gnaden, ganz und gar am Finanztropf des Landes.
Da ist es für den jeweiligen SVP-Plenipotenziario und die Stadt-Oligarchen ein Kinderspiel, die Lausbuben im Stadtrat «zur Ordnung» zu rufen, wie man so schön und verharmlosend sagt. Als Nächstes empfiehlt sich eine Städtepartnerschaft Merans mit Messina.«Merano-Messina», «M-M», das klingt schon mal gut. Standseilbahn auf den feuerspeienden Ätna gefällig?
Das gesamte Gesamtkonzept
Weniger gut klingt der Schwulst, mit dem sich Bürgermeister Dal Medico aus seinem Dilemma herauswinden will. Da steigt er doch glatt in das potemkinsche Dorf namens «Gesamtkonzept» ein, das uns die jungen SVP-Kanonen bis zum Würgen vorkauen. Nachdem sie bei der Erstpräsentation noch von der gewaltigen Verkehrseinsparung durch die Standseilbahn Schenna-Meran getönt hatten, geben Zeller, Bauer & Co. nun offen zu, dass die Standseilbahn Zero Entlastung bringt – ABER! – im Gesamtkonzept ein WICHTIGES Teilchen ist: Ja, das Gesamtkonzept! In früheren Zeiten war das eine Spezialität der Grünen (Frau Kury: ‚Wir lehnen X ab, da braucht es ein…‘) Ja was wohl? Richtig, ein GESAMTKONZEPT! Zwanzig Jahre später ist die Next Generation der SVP auch so weit! Nur das magische GESAMTKONZEPT kann es bringen: Die zweigleisige Eisenbahn Meran Bozen (Bauzeit 12 Jahre), hunderte neue E-Busse und weiß der Kuckuck was noch an blechernem-Öffi-Zeug, das erst in 10 bis 20 weiteren Jahren stehen und fahren wird. Aber wen kümmert’s? In dieser langen Zeit verdienen Projektanten, Lieferanten und «Vermittler» Millionen, werdende und schon bestallte Politiker gründen ganze Karrieren drauf – und das nicht nur mit der Standseilbahn allein. Um das herum dreht sich das ganze Karussell Gesamtkonzept.
Mit spitzer Feder gegen Geldmühlen
Aufmerksame und wache Meraner Bürger wie die Elfriede Rungg oder der Franco Ferrarese können sich mit ihren klaren Vernunftargumenten gegen den verkehrstechnischen Größenwahn die Finger wundschreiben in den Leserbriefspalten der Dolomiten. Es dräut ein dystopisches Szenario: So lange das M-Syndikat, das es nicht gibt (Verschwörungstheorie!), nicht radikal abgewählt wird, so lange gehen die Telefonate im Hintergrund weiter und das Brüssler Druckerei-Geld fließt in die altbewährten Taschen.
Öffis sind umsonst (aber nicht gratis)
Inzwischen werden uns allen die Deutschen ausbleiben und das Verkehrsproblem löst sich ganz von alleine. Die kulturbewussten Qualitätsgäste, die dann noch nach Meran kommen, werden weder durch die Kaverne gondeln (eine U-Bahn riecht eben nicht nach Urlaubsvergnügen), noch die mit Migranten gefüllte Eisenbahn nach Bozen nehmen, noch Bekanntschaft mit pöbelnden Halbstarken in den Bussen schließen wollen.