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DIGITALES PATIENTEN HICKHACK

Georg Dekas
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7. Januar 2025

Hackbare Patientenakte ist Tiefschlag für Digitalstrategen. In Südtirol kommt mit Dr. A. Marsoner Widerstand und Hoffnung auf.

„Elektronische Patientenakte gehackt: Zugriff auf 70 Millionen Datensätze – Kurz vor dem Start der ePA demonstrierten IT-Experten des Chaos Computer Clubs, wie einfach Kriminelle Zugriff auf Gesundheitsdaten erhalten könnten. Schwachstellen in Sicherheitsprotokollen und Kartenverfahren machen die elektronische Patientenakte angreifbar.“ Meldung aus ET (The Epoch Times) 3 jan 25

Zwei Auffassungen von Informatik

In Südtirol macht Digitalstratege und Landesrat H. Messner Druck auf Einführung der ePA (elektronische Patientenakte), die hier EGA heißt. Dazu will er ein neues „Über-Alles“-IT-System einführen. Er lehnt das bewährte IT-System IKIS der Hausärzte ab. Das funktioniert seit 13 Jahren, ist in Südtirol entwickelt worden und könnte leicht ausgeweitet werden. Doch im August 2024 hat der übergeordnete Gesundheitsbetrieb offiziell und zentral „den Stecker gezogen“. Das hat zu Unverständnis unter den professionellen IKIS-Nutzern (Ärzten) geführt. Begründung des Rauswurfs von IKIS: Es brauche ein System, das die ePA (EGA) beinhalte. Hinter der politischen Entscheidung des LR und dem Ärzteprotest verbirgt sich eine grundsätzlich verschiedene Auffassung von Informatik und ihrer Nutzung.

Die Misere der Zentral-Informatiker

Dazu muss man die Vorgeschichte der Informatik im Sanitätsbetrieb kennen. Seit den Anfängen der Informatik hat der politisch geführte Sanitätsbetrieb eine unterdurchschnittliche Erfolgsrate. In den 1980ern gab es noch die vier „USL“, die territorialen Sanitätseinheiten als eigenständige öffentliche Betriebe. Von diesen schaffte es nur der Brunecker Betrieb, ein hauseigenes digitales Informationssystem aufzubauen, eben dieses IKIS. Da der Entwickler, IT-Chef W. Amhof später zum Bezirksleiter Pustertal im Einheitlichen Sanitätsbetrieb Südtirol (Sabes) aufgestiegen ist, und gleichzeitig dieser Dachbetrieb nicht imstande war, ein System zu implementieren, welches das IKIS hätte erfolgreich ersetzen können, blieb die Pusterer Lösung als Inselsystem in Geltung. Der Landesbetrieb Sabes hatte IKIS beiseite gewischt und mehrfach auf importierte und generalistische Supermodelle gesetzt, die sich in der Praxis als überteuerte, schwerfällige und mangelhafte IT-Bruchstücke entpuppten. Die Zeitungsberichte dieser Misere sind legio und gehen von 2007 bis 2024. Ein recht guter Artikel zur aktuellen Lage findet sich HIER.

Widerstand gegen zu komplexe Systeme

Mit dem operativen Antritt H. Messners als LR hat Sabes seine Informationspolitik umgestellt. Ein großzügiges Werbepaket an die Hauptmedien erzeugt seit Sommer 2024 überaus zahlreiche und wohlwollende Schlagzeilen zugunsten des prominenten Landesrates und seiner Politik. Zugleich dürfte im Betrieb selbst eine unsichtbare, korporative „Maulkorb-Ordnung“ gelten. Mit dieser „Deckung“ geht der monolithische öffentliche Gesundheitsbetrieb Südtirols hinein in ein neues IT-Abenteuer, dessen „Panzer“ die elektronische Patientenakte sein soll. Jetzt kommt ausgerechnet aus Deutschland garstige Kunde. Die Epoch Times berichtet, dass die ePA ein Fass mit Millionen von Löchern sei. Mit der Messnerschen EGA dürfte es sich strukturell nicht anders verhalten. Je komplexer ein System, desto verwundbarer ist es. Das nährt die Skepsis derer, die sich immer schon gegen die Philosophie der „eierlegenden Wollmilchsau“ in der Sanitäts-IT ausgesprochen haben. Praktikable und kostengünstigere Modelle sind von der Landesrats-Politik und den IT-Überfliegern bei Sabes nie zur Kenntnis genommen worden. Der „neue“ LR Messner wird da noch Einiges zu kauen haben.

 Die Hoffnung hat einen Namen

Die tapfere IKIS-Protestantin Dr. Astrid Marsoner aus dem Pustertal dürfte noch lange Recht behalten, auch wenn ihre Stimme seit Beginn ihres Widerstands boykottiert wird.  Wie es scheint, denkt Dr. Marsoner nicht ans Aufgeben. Die Neubestellung des Kammerrates der Ärztekammer liegt wegen der  Verhinderung der Liste „Hippokratische Ärzte“ gerade in heftigen Geburtswehen. Die Kammer hat aber nicht nur diese demokratische Initiative abzuwehren. Bei den zu Wählenden scheint auch der Name Dr. Astrid Marsoner auf. Marsoners Kandidatur dürfte einen IKIS-Hintergrund haben. Sie würde dann in Opposition zur „systemtreuen“ Frau Dr. Monica Oberrauch stehen, die um die Verlängerung ihres Vorsitzes kämpft.

(Anmerkung dege: Bis hierher verfasst am 3. Jänner 2025)

Update: Marsoner ist gewählt

Neueste Meldung am 7. Jänner 2025. Die Hausärztin Astrid Marsoner ist mit einer überwältigender Stimmenanzahl der Ärzte in Südtirol zur neuen Chefin der Ärztekammer gewählt worden.

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