Italien wird ideologisch wieder einmal durchgeschüttelt. Fallschirmjäger-General Roberto Vannacci hat im Selbstverlag das Buch „Verkehrte Welt“ geschrieben. Eine Kampfschrift gegen die Sonderrechte von Minderheiten, das eingeschlagen hat wie ein Bombe.
Wer meint, es handle sich dabei um eine Sommerloch-Granate, könnte sich gründlich täuschen. Dass ein Divisionär, ein Afghanistan-Veteran und Leiter des Militärischen Geografischen Instituts zu Feder greift, ist weder ein Zufall noch ist es ganz ungefährlich. Zwar hat der Militär das Volksempfinden und das Recht auf freie Meinung ganz für sich, dennoch sollte dieses Buch im Kontext der politischen Konstellationen der Republik Italien gesehen werden. Der General greift nämlich voll ein in den zähen Kulturkampf, der die offenen Gesellschaften Europas wie eine Heimsuchung überzieht.
Im Unterschied zu Deutschland hat in Italien seit dem 25. September 2022 die Reaktion auf den Wokismus eingesetzt, den die Italiener treffend „pensiero unico“ nennen. Diese Reaktion beschränkt sich nicht auf das Wahlergebnis von Giorgia Meloni. Der General offenbart, dass eine strategische und koordinierte Bewegung der Konservativen und Nationalliberalen im Wachsen ist, die entfernt an die ‚Marcia su Roma‘ erinnert.
Bei der Vorstellung seines Buches sagte General Roberto Vannacci:
„ ‚Il Mondo al contrario‘ will provokativ den Gemütszustand all derer darstellen, die, wie ich, im Alltag die Missklänge eines verstörenden Zeitgeistes erleben, die meilenweit von dem entfernt sind, was der Gemeinsinn („sentire comune“) für logisch und vernünftig hält, erklärt Vannacci bei der Vorstellung des Buches. ‚Was ist daran so ungewöhnlich? Das passiert uns allen, und zwar oft‘, werden Sie sagen. Nur, dieses unnormale Treiben erzeugt ein schlechtes Gefühl, ein Gefühl der Unzulänglichkeit, das nicht auf einzelne Vorkommnisse unseres Lebens beschränkt ist, und auch nicht die Folge noch so vereinzelter Tatsachen ist, sondern dieses Gefühl der Unzulänglichkeit durchdringt unser ganzes Leben bis zum Punkt, wo wir uns fehl am Platz und außerhalb der Zeit fühlen, wie Außerirdische, die im Hier und Jetzt umherirren und das Gefühl haben, ihr tägliches Leben nicht ändern zu können in einer Umwelt, die von ganz anderen Lebensweisen, Gesetzen und Normen bestimmt wird, als die wir gewohnt waren. Es genügt, das Fünf-Wege-Sicherheitsschloss zu entsperren, das uns eine Minderheit von Kriminellen gezwungen hat, an unserer Haustür anzubringen, um dann in eine Stadt zu kommen, in der eine andere Minderheit missratener Graffiti-Künstler Wände und Denkmäler beschmiert, um dann hoffentlich nicht in die Demo einer weiteren Minderheit zu geraten, die aufgrund einer weisgesagten Klimaapokalypse gegen die mehrheitlich veranlassten und bewährten Umweltmaßnahmen kämpft, den Verkehr blockiert und Schäden für die Allgemeinheit verursacht. In den Debatten ist nur von Rechten die Rede, vor allem die von Minderheiten: Die Rechte von denen, die vorgeben, keine Arbeit zu finden, aber von der Allgemeinheit erhalten werden müssen, das heißt von denen, die sich hart abgemüht haben, Arbeit zu finden; die Rechte von denen, die biologisch keine Kinder haben können, sie aber fordern; die Rechte von denen, die keine Wohnung haben, aber sie illegal besetzen; die Rechte von denen, die in der U-Bahn stehlen, aber das Recht auf Privatsphäre beanspruchen.“
17. August 2023, übersetzt aus IL SOLE 24 ORE
Groß aufgemacht in der Presse sind des Generals Aussagen zu den Schwulen. Das verdeckt leider den gefährlichen, aber deutlichen Ansatz des Buches, der sich gegen Minderheiten aller Art richtet. Und so wahr es ist, dass privilegierte Minderheiten mit multiplen medialen Propagandawalzen unverschämte Rechte fordern, so wahr ist es auch, dass der Stahlbesen des „sentire comune“, einmal losgelassen, auch die vitalen Interessen von bedrängten Minderheiten hinwegfegen kann – Italien hat es schon einmal vorexerziert.