Die Singles im Landtag wachsen wie Pfifferlinge. Neue Wahlordnung gefragt.
Für den Landtagsabgeordneten Jürgen Wirth Anderlan (JWA) ist es kein Schaden. Sein Kollege, ein älterer Herr mit roten Hosen, gewölbtem Baumwollschal und Lesebrille auf der Stirn hat von Beginn an ein betretenes Gesicht gemacht in der Gesellschaft des reschen Kalterer Bartträgers und Sponti-Politikers. In einem Jahr bezahlter Tätigkeit im Südtiroler Landtag ist von Andreas Colli keine einzige politische Wortmarke zu verzeichnen. Vielleicht kann er sich wenigstens fortan zum Wohle des Volkes entfalten.
Fröhliche Abspalter
Für die Liste JWA ist der Abgang von Kollege Colli sehr wohl ein Schaden, denn ist es nicht richtig, dass Abspalter einer Wahlformation auch noch belohnt werden und als Singles im Landtag ein fröhliches, aber nutzloses Dasein führen. Das Mandat sollte an die Liste zurück fallen und vom Nächstgewählten der Liste aufgefüllt werden. [Lese dazu den offenen Brief der JWA-Leute im Anhang]. Eine Änderung des regionalen Wahlgesetzes ist da überfällig, allerdings bestehen dafür äußerst geringe Chancen, auch wenn sich der stoppelbärtige Landtagspräsident im Augenblick dafür stark macht.
Sorg sorgt sich
Die wundersame Vermehrung der Singles im Südtiroler Landtag ruft auch penible Moralisten auf den Plan. Die «Dolomiten» sieht «Zersplitterung» und Stol-Chef Arnold Sorg zieht das Ding groß auf: «Genauso wie unsere Gesellschaft langsam, aber sicher auseinanderdriftet und sich immer schwerer auf einen gemeinsamen Nenner einigen kann, schreitet die Zersplitterung der Parteienlandschaft fort.» Der Mann hat nicht begriffen, dass das, was er «Zersplitterung» nennt, nichts anderes ist als die logische Folge der allseits propagierten, bunten, pluralistischen – kurz der «Offenen Gesellschaft» in ihrer Spätphase. Das Ergebnis von überbordender Toleranz, nervöser Vielfalt, Abfall vom Glauben zugunsten der Konsumfreiheit, auf die sich der Westen so viel einbildet. Sorg sehnt sich nach der geschlossenen Gesellschaft, er möchte, dass es gelingt, «die Gesellschaft wieder zu einen». Nein, das könnte nur ein Diktator vollbringen. Der Traum von der homogenen, einheitlichen Gesellschaft wird vom klerikalen Gottesstaat, wurde vom Sowjet-Kommunismus, vom europäischen Faschismus und Nationalsozialismus geträumt – mit sehr unbefriedigenden Ergebnissen.
Anpassung der Regeln genügt
Die hohe politische Moral muss man hier nicht bewegen, es genügt ein ordentlicher Rüttler in der Geschäftsordnung und vor allem eine Anpassung des Wahlrechts und der Regeln der Regierungsbildung, wie es die Irrwege nicht nur in Südtirol, sondern auch in Deutschland (Ampel) und Österreich («Tapetentür») klar aufzeigen.
Dazu ist es erforderlich, dass die Definition von Mehrheit von der «Hälfte plus eine aller abgegebenen Stimmen» auf die «meisten Stimmen» geändert wird («The Winner Takes it All») oder, alternativ dazu, dass Parteien sich VOR der Wahl zu Bündnissen verpflichten, mit denen sie die absolute Mehrheit (50%+1) zu knacken glauben (siehe Meloni-Bündnis in Italien).
ANHANG
Offener Brief an Andreas Colli [Auszüge]
wir durften gestern aus den Medien erfahren, dass du aus der Landtagsfraktion der Liste JWA ausgetreten bist. […] waren wir über diese Entscheidung dennoch sehr verwundert. Die Liste JWA war es, die dir überhaupt den Antritt zu den Landtagswahlen ermöglicht hat, nachdem du weder bei Enzian, noch bei Vita einen Platz gefunden hast.
[…]
Die Versprechen, die wir unseren Wählern gaben, waren so einfach wie klar: Gemeinsam für die Aufarbeitung der Corona-Verbrechen einzutreten und ein Drittel des Gehaltes als Landtagsabgeordneter für soziale Projekte und Landsleute in Not abzugeben. Jürgen hat […] bereits über 25.000 Euro an Einzelpersonen und Projekte überwiesen. Auf unsere Nachfrage hin, hat er uns aber mitgeteilt, dass du dich bis heute nicht an dieses Versprechen gehalten hast.
[…]
Als Kandidaten und Mitglieder der Liste JWA finden wir es inkonsequent und unseren Wählern gegenüber ungerecht, dass du das Mandat auch nach deinem Austritt aus der Liste JWA und trotz des nicht eingehaltenen Wahlversprechens behalten willst.
Deshalb fordern wir dich auf, wie du es selbst in deiner Pressemitteilung schreibst, „zur Seite zu treten“ und dein Mandat der Liste zu überlassen, der du das Mandat verdankst. Der Liste JWA.
Die Landtagskandidaten der Liste JWA
Wilhelm Haller
Daniel Rella
Hartwig Königsrainer
Paul Kircher
Daniel Stecher
Stefan Liensberger
Artur Oberprantacher
Thomas Major
Christian Steger
Arthur Bacher
Ulrich Moser
Manuela Nusser
Eva Hofer
Manuela Hofer
Arno Rautscher
Wolfgang Andergassen
Michele Galeone
Heidi Ritsch
Martin Scheiber
Roman Clementi
Monika Schatzer
Leah Maria Hofer
Sonja Rohregger
Evelyn Ragginer
Barbara Fuchs
Herward Dunkel
Hildegard Kirchler
Sonja Minisini
Mauela Stockner
Christine Putti