In unserem Geschwisterland, der Republik Österreich, geht es der GIS** an den Kragen. Und damit dem ORF. Eine heiße Sache.
1.500 Kommentare erntet eine Meldung in der Kronenzeitung bereits am ersten Tag ihres Erscheinens. Die meisten wünschen den ORF und die GIS, also die Gebühr für den ORF, zum Teufel. Es geht in der Meldung darum, dass die GIS politisch langsam nicht mehr haltbar ist, der Staatsfunk aber noch mehr Geld als bisher braucht, weil die digitalen Dienste dazu gekommen sind.
Deswegen wird laut über eine Haushaltsabgabe nachgedacht, die den Geldsegen für den ORF von 600 auf 800 Millionen bringen könnte. Die Krone-Leser laufen Sturm dagegen. Soll zahlen wer will, also ein Abo-Modell, ist die einhellige Meinung.
In den Kommentaren geht es nicht darum, die GIS zu hoch wäre und dass Geld zu sparen sei, sondern darum, dass der ORF das Geld nicht verdient. Das ist erstaunlich.
Seit dem Beginn des ORF im Jahr 1958 bis hinauf in die Kreisky-Ära und darüber hinaus war der ORF eine Säule, eine unumstrittene Institution, ein Heiligtum. Der ORF hat Österreich gemacht, hielt Österreich zusammen, war Österreich. Kreiskys Formel von der Nation Österreich wäre ohne den ORF gar nicht möglich gewesen. Und nun die Abkehr, warum?
Das Aufkommen der Privaten ist nur eine Teil-Ursache. Schwerer wiegt, dass sich der ganze Unterhaltungsklamauk von der Mattscheibe auf das Smartphone verlegt hat. Im Klar-Fernsehen bleiben die US-Serien, die ewig wiederholten Blockbuster aus Hollywood und die heimischen Krimis wie die Dinosaurier-Skelette liegen.
Aber der Hauptgrund ist, dass der ORF heute nur mehr einen Teil und nicht mehr das ganze Österreich abbildet. Anders gesagt: das, was die Meinungsbildung des ORF als «in» propagiert, wird nicht mehr begeistert und ungeteilt von den Massen entgegen genommen und aufgesogen. Sehr zum Unterschied der vier Jahrzehnte von 1960 bis 2000.
Seit die Generation der 1968er an den Mikrophonen und Schalthebeln sitzt und ihre «progressive» Weltsicht promotet, fühlen sich Konservative, Gläubige, junge Wilde und vor allem das einfache, redliche Volk immer weniger im ORF zuhause.
Diese Zuschauer finden es empörend, eine Zwangsabgabe entrichten zu müssen, damit genau das als offizielle Botschaft gefeiert und eingetrichtert werden kann, was sie selbst ablehnen und was ihnen total gegen den Strich geht. Es ist nicht nur ein Generationen-Problem oder nur eine Frage der Ideologien.
TIEFER ZWIST
Die postmoderne Gesellschaft hat eine derart tiefe Spaltung, dass der Staatsrundfunk es nicht mehr schafft, die einigende Klammer zu sein. Diese Spaltung zu beschreiben und zu untersuchen, erfordert eine eigene Betrachtung und muss hier vorausgesetzt werden. Im Wesentlichen geht es dabei um zwei Schichten und Strömungen in der Gesellschaft, von denen die eine grenzenlos weiter expandieren und die andere lieber etwas schrumpfen möchte.
Das Rezept des ORF läge dabei ziemlich auf der Hand. Er müsste sich etwas zurücknehmen, konzentrieren und gleichzeitig diversifizieren. Der ORF muss aufhören zu glauben, er könne der «All-in-one-shop» für die ganze Republik sein und nur den einen, progressiven oder expandierenden «mainstream» bedienen.
NATION BÜNDELN, REST STREUEN
Klugerweise müsste der ORF alle für die Nation unerlässlichen und sinnstiftenden Inhalte straff bündeln und den Rest so multipel gestalten wie es nur geht, was eben durch das digitale Angebot möglich ist. Die diversifizierten digitalen Angebote sind durchaus in Abo-Form zu finanzieren. Das würde auch der Selbstregulierung durch Angebot und Nachfrage gut tun. Anstatt mehr Geld von den eh schon gebeutelten Bürgern zu erpressen, müssten im Klarsicht-TV und im Radio hunderte von obsoleten Programmen gekippt und die riesigen Verwaltungs-Apparate um ein Drittel verschlankt werden.
SENDEPAUSE ALS MARKE
Als überzeugter Verfechter der «reduce-to-the-max» Gesellschaft möchte ich hier nur ein völlig aus der Zeit Gefallenes wieder in den Kreis werfen. Wer erinnert sich noch an das gute alte Pausenbild? Nun, gut, ich fände so etwas für den öffentlich rechtlichen Rundfunk auch heute noch für gar nicht so unangebracht. Sendung von bis, stopp. Ein bisschen retro, gewiss. Aber ist die Sendepause nicht auch eine Qualitätsmarke? Die wertvoll macht, was gesagt wird? Die sich dem endlosen Strom der Reizüberflutung widersetzt? Es wird längst schon zuviel geschwätzt und gezeigt. Qualität verlangt Knappheit, gewollte Knappheit. Ich liebe Sendepause!
ANTI-GIS GO!
Dass die Staatsmaschine ORF notwendige und sinnvolle Neuerungen von sich aus nicht machen wird, liegt auf der Hand. Dass die Parteien, die heutzutage den Staat bilden, nicht auf ihr liebstes Spielzeug verzichten wollen, ist ebenfalls klar.
Also bleibt nur eine Anti-GIS-Volksbewegung als Motor für Innovation übrig. Eine Bewegung, die sich klar abzeichnet. Nicht weil der öffentlich rechtliche, Nation-stiftende Rundfunk ein Auslaufmodell ist oder nicht wünschenswert wäre – ganz im Gegenteil! – sondern weil er sich selbst nicht aus dem eigenen, tiefen Sumpf zu ziehen vermag, in dem er über die Jahre unversehens hinein geraten ist.
NACHSATZ
Dasselbe Bild bieten und dasselbe Rezept gilt auch für die deutschen Sendeanstalten und den Südtiroler Ableger der RAI Radiotelevisione Italiana in Bozen. In Deutschland nimmt die Kritik an ARD und ZDF exponentiell zu, während das kleine Südtirol noch seinen gewohnten, tiefen Dornröschen-, nein, Zwerg-Laurin-Rosengarten-Schlaf schläft.
**Was ist die GIS?
Auf der Homepage steht auf schönem Amtsösterreichisch: «Die GIS Gebühren Info Service GmbH steht zu 100 Prozent im Besitz des ORF. Als beliehenes Unternehmen des Bundesministeriums für Finanzen ist sie mit der Einbringung und Verteilung der Rundfunkgebühren betraut.»
Und wieviel zahlt man?
In Tirol z.B. 26,45 € im Monat
Wer alles zahlt?
Jeder, der zuhause eines oder mehrere Geräte hat, die Rundfunkprogramme empfangen können. Befreit sind die üblichen «Verdächtigen»: Empfänger von Arbeitslosengeld, Kinderbetreuungsgeld, Mindestsicherung, Grundversorgung, Studienbeihilfe, Pflegegeld; Zivildienstleistende, Personen, dievon Rezeptgebühren befreit sind, Gehörlose, Personen mit schwerer Hörbehinderung, Pensionisten. Alle unter einer Grundbedingung: Nettoeinkommen höchstens rund 1000 bis 1.500 pro Monat. Und all das ist der GIS nachzuweisen. Rund 95% der Haushalte sind GIS-gemeldet.
Wieviel Geld kommt da zusammen?
922,4 Millionen Euro (2018)
Davon gehen 637,1 Millionen Euro an den ORF (2018), der zweite Happen an Länder und Politik.
Der Staatssender ORF hat im Jahr 2018 zu den Überweisungen der GIS eingenommen: 229,6 Millionen Euro an Werbung und 179,1 Millionen Euro aus sonstigen Umsätzen.
Dank an KA GIS für die Info!