Der Skandalspruch der Curva Sud Obermais gegen Spießer und Piefke ist ein Ruf nach Abbau von Überkontrolle und Zwängen.
Spruchband auf dem Fußballplatz in Obermais: „Meran braucht net a Bürgerwehr sondern kuane Piefke mehr“. Die Südkurve auf der Lahn hat in ein Wespennest gestochen. Wer wagt es schon, einen Wirtschaftszweig anzugreifen, von dem alle prächtig leben? Natürlich haben sich die Alten am „Piefke“ gestoßen. Wenn so gemeint, müsste man den O-Fans Übersättigung vorwerfen. Auf Insta liefert fanszene.obermais eine Erklärung der Botschaft (hier auf den Kern gekürzt):
„Die von der Meraner Stadtregierung geplante „Nachbarschaftskontrolle“ schürt das Denunziantentum. Viel wichtiger wäre es, sich um die Jugend zu kümmern. Massentourismus, große Verkehrs- und Umweltbelastung und maßlos steigenden Immobilienpreise haben zur Folge, dass junge Leute der eigenen Stadt den Rücken kehren. Wir wollen ein Meran, in dem man es sich leisten kann zu leben – Nicht ein Ort der Zweitwohnsitze für reiche Touristen.“
Der Text verrät eine ältere und grüne Handschrift („Verkehrsbelastung“ hat die lärmverliebte Jugend noch nie gestört), auch das Schüren gegen „reiche Touristen“ ist linkspolitisch und übrigens hässlich diskriminierend. Es gibt ja genug reiche Einheimische, die mehr als eine Wohnung haben oder die zweite oder dritte gar nicht vermieten, weil der Staat so verrückte Mieterschutzgesetze hat. Auch tut der Insta-Text so, als würde in Meran für die Jugend nichts getan. Eher ist das Gegenteil der Fall, auch wenn wahr ist, dass die Jungen dabei wie Reservatsindianer behandelt werden.
Protest gegen den schleichenden Verfall von Freiheit
Insgesamt und auf den Kern reduziert, könnte der Text so verstanden werden, dass die jungen Leute ein gemütlicheres und sorgenfreieres Leben von Papi und Mami (ist gleich Politik) fordern würden. Ich bevorzuge eine andere Deutung. Was dieses Spruchband ausssagt, betrifft den schleichenden Verfall an Freiheit. Obacht, Freiheit – nicht das „tun dürfen was ich will“. Die wahre Freiheit wird den Jungen und uns allen nach und nach geraubt. Zuerst durch die Übererziehung der Mütter, dann durch die Denaturalisierung in der Staatsschule, schließlich durch das verordnete Denken durch Medien und Organisationen. Im Wirtschaftsleben erwartet die Heranwachsenden die große Überregulierung. Im privaten Leben stoßen die Jungen auf das zwangsläufige Dead-End des westlichen Lebensstils: Mit Luxus-Problemen für die auf der Butterseite, mit innerem (seltener äußerem) Elend für den Rest.
Positiv gesehen, richtet sich das Spruchband nicht wirklich gegen Spießer und Piefke (gegen beide haben wir in unserer Jugend auch schon heillos und genauso zu Unrecht gelästert). Kern der Botschaft aus der „curva sud obermais“ ist der Ruf nach dem Abbau von Übererziehung und Überkontrolle, nach dem Durchstich der Sackgasse, in die der übertriebene Konsum führt, Befreiung von der Ausweglosigkeit geistlosen Denkens. Begründet im natürlichen Verlangen nach selbst verantworteter Freiheit.