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KILLERWORT LOBBY

Georg Dekas
|
11. Februar 2023

Lobby ist zu einem Keulenwort, nein, zu einem Killerwort geworden, ähnlich wie der ewige und abgelutschte «Nazi». Dabei vertreten Lobbies einfach Interessen. Und das ist gut so.

Wie so viel anderes Unkorrektes geistert auch die «Lobby» gerne in der linken und sozial gesinnten Politiksprache herum, garniert mit Schimpfwörtern wie die «Immerschlauen» und «Nimmersatten», und stets gefolgt von «Verboten» und «Maßnahmen», mit denen man den ominösen Lobbys das Handwerk legen müsse.

 

Ehrabschneidung

Doch das ist Ehrabschneidung, Verleumdung, letzlich sogar Hetze. Ehrenwerte Berufsverbände werden durch diese propagandistische, dem Sozialneid zuarbeitende Wortwahl in die Nähe von schmierigen Antichambristen gerückt, die es ja auch gibt. Harte Arbeit für berechtigte Interessen wird so in einen Topf geworfen mit Profiteuren und Ellenbogen-Typen.

Den angeblichen «Egoisten» der Lobbies wird ein untadeliges, selbstverständlich uneigennütziges und sauberes «Gemeinwohl» als Richtmaß und Vorbild gegenüber gestellt – so, als ob es dieses wirklich existieren würde. Und ob es unter den kleinen Leuten nicht auch jede Menge Gauner gäbe.

 

Lobbys sind Interessenvertretungen

Nur: Wer den Begriff Lobby abschätzig gebraucht, um damit spezifische Interessensvertretungen zu kennzeichnen, der müsste nicht nur Wirtschafts- und Berufsverbände ankreiden, sondern auch Gewerkschaften, Verbraucherschutz, Alpenvereine, Kleintierzüchter, Frauen helfen Frauen, usw. Sie alle verteidigen bestimmte Interessen, erheben dafür ihre Stimme und werben um Unterstützung in der Öffentlichkeit und bei Parteien. Und preisen die Vorsehung, wenn aus ihren Wünschen endlich Paragrafen werden. 

 

Lobby-Bellen ist latent nazi

Wer das Wort Lobby als Kampfbegriff einsetzt, unterteilt stillschweigend die Welt in gute und in schlechte Interessenvertretungen, in schädliche und nützliche, in Schädlinge und Nützlinge. So weit darf es in einem konstitutionellen Staatswesen nie kommen. Wenn alle, die in Aussendungen oder Kolumnen Schimpfreden über die «Lobbys» schwingen, wüssten, wie sehr sie sich damit an die Sprache und Weltsicht der echten Nationalsozialisten, vulgo «Nazis» anlehnen, dann würden sie ihr Redewerk vielleicht doch ein wenig besser hüten. 

 

Lobbies sind natürlich, das CB-System bändigt sie

Dass Interessenverbände große Macht ausüben können und diese Macht stellenweise auch über Gebühr durchsetzen, das ist Tatsache, mehr noch, so etwas wie ein Naturgesetz. Gegen mögliche Auswüchse wurde in England das politische System der Checks and Balances erfunden und erfolgreich exportiert (manche nennen es Demokratie, andere Verfassungs- oder Rechtsstaat). Es ist ein physikalisches System, das von mehreren einander widerstreitenden Kräften ausgeht, die unter gewissen Bedingungen sich gegenseitig aufheben und als Resultante den gesellschaftlichen Nutzen bilden. Das freie Spiel der Kräfte ist eine dieser Bedingungen.

Wenn der Einfluss einer bestimmten Kraft als zu groß empfunden wird  – sagen wir der Gewerkschaften oder der Grünen oder der Konsumindustrie oder der Bauwirtschaft oder der Pharmaindustrie – dann heißt das zunächst nur, dass man mitten im «Kampf», besser gesagt, mitten im Verlauf der natürlichen Gleichgewichtsbildung steht. Soweit aufregend, aber nicht problematisch.

 

Übermächtige Lobbies zeigen eine Fehlfunktion des Systems an 

Oder es kann sein, dass das System der C&B, welches den Ausgleich der gegensätzlichen Kräfte maßgeblich unterstützt, selbst gestört, schadhaft oder in Teilen falsch konstruiert ist.

Beispielsweise durch eine langsame oder politisierte Justiz, durch die Agglomeration von politischen Einzelkräften (Ampelkoalition, Sammelpartei, Ermächtigungsgesetze, Metastrukturen wie EU/Euro) oder durch eine Störung der Großwetterlage in der Politik, wie wir sie durch die Covid-Lockdowns, den Ukraine-Krieg und durch die unbändige seelische Triebkraft neuer Moden und Bewegungen erleben.

 

Kleine Länder haben Vorteil

Alle diese Fehlfunktionen haben wir vor unserer Nase: sowohl in unserem eigenen, kleinen Land Südtirol als auch im Staat (I) und im Staatenbund (EU), denen wir angehören.

Je größer die der Staatskörper, je entrückter die Spitze (Regierung) von der Grundlinie (Volk), desto störanfälliger ist er und desto größere Hebelwirkungen haben einzelne Interessengruppen. Pfizer/Biontech-EU/Von der Leyen ist ein eklatantes Beispiel.

In der Republik Italien etwa haben die Gewerkschaften ihren Lobby-Bleifuß seit Jahrzehnten auf dem Gaspedal der Gesetzgebung stehen, was auch bei uns in Südtirol für eine Reihe von Fehlentwicklungen gesorgt hat. In der Beschäftigungspolitik, im Wettbewerb, bei Spitzenleistungen in Schule, Wissenschaft, Medizin – und eben auch beim leistbaren Wohnen. Dazu ein eigener NUiS-Beitrag HIER. 

Je kleiner ein Land ist, desto eher lösen sich die ominösen «Lobbies» auf. Man kennt sich, man weiß, was einer will und man versucht so weit möglich, entgegen zu kommen, oder abzuwehren, aber die Kirche im Dorf zu lassen.

Hier kann man das Schimpfwort «Lobby» getrost in der Lobby stehen lassen. Wo bitte? Na, im Hausgang! Der übrigens auf tirolerisch Laba heißt, womit unsere sprachliche und mentale Verwandtschaft mit dem Englischen einmal mehr zum Vorschein kommt.

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