Keltisch kulinarosophistischer Revisionismus.
Das Ausserbochn, friggere, schmalzen, frittieren, also Speisen in siedendem Fett garen (Krapfen, Paniertes, Backerbsen, Grammeln, Erdäpfel, Tirtlan, Kuechel, Arancini, usw.) gehört als Erfindung denen, die als Erste Kupfer- und Eisenkessel herstellen konnten, und das waren die europäischen Kelten. Die mediterranen Völker hatten es mehr mit den Terrakotta-Töpfen (Römertopf!), und die eigneten sich nicht so gut für langes Backen und Sieden mit Fett.
Der kulinarosophistische Streit, ob das panierte Schnitzel zuerst in Mailand oder in Wien daheim war, ist somit auf ewig beigelegt, da beide Städte (Kulturkreise) ursprünglich keltische waren. Ob Schweine-Costoletta mit Knochen oder Kalbfleisch-Nuss im Schmetterlingsschnitte – sempre celtica è. Die Faustregel ist diese: Überall dort, wo «gebachene» (tirolisch für in Fett «heraus»-gebackene) Speisen daheim, also traditionell und breit verankert sind, dort ist altes Keltenland. Von Bomboloni bis Pommes.
Der Kesselkult der Kelten ist legendär. Miraculix und Obelix allein zeigen das schon wunderbar. Aber mehr noch! Weil das Kochen im metallenen Kessel technologisch und nahrungstechnisch überragend war, ging der Name des Geräts bei den Nachahmern und Nutznießern dieser Erfindung auf die Urheber dieser Kunst zurück. Ich behaupte, dass der Name Kelte und die Varianten des Wortes Kessel einen Zusammenhang haben der Art, dass die Mittelmeerleute mit ihren Tontöpfen die Leute mit den Kupferkesseln weiter im Norden «Keltoi» nannten. Die indogermanische Wurzel dafür ist *kele, warm, nicht *kel-to, schlagen, kämpfen, woraus Kelten hergeleitet werden. Kelten sind Leute, die nicht nur warm, sondern siedend heiß kochen können (dank Keltel, Kettel, Kessel). Immerhin hatten die Mittelmeerleute 800 Jahr lang Zeit, den technologischen Fortschritt aus dem Norden zu übernehmen (für sizilianische Arancini zum Beispiel).
Draufgekommen bin ich über die Etymologie des Kochtopfs. Sagt mir doch der Engländer, sein Tea-Kettle komme vom lat. catinus, während mein toskanischer Ottorino seinen catino so beschreibt: «Ora il catino divenuto più largo e profondo è miseramente condannato a stare in cucina per prestarsi alla lavatura delle stoviglie» Aus der rituellen römischen Weihrauchschale catinus wurde in Italien eine ordinäre Waschschüssel. Das kann niemals der Ursprung für einen keltisch-britischen Kessel sein, Gentlemen! Besonders, da der Kessel, jener vom keltischen Dorf mit Suppe, Schmalz oder Zaubertrank, im Italienischen Paiolo heißt, was ein klares keltisches Lehnwort ist (cimbr. Pair).
Also wieder ein klassischer Fall von kulturellem Revisionismus meinerseits, mein Lieblingsthema. Zu oft wird angenommen, Kultur und Sprache gingen von Süden nach Norden (immer weden römische Ursprünge gesucht oder angegeben). Derweil geht es munter umgekehrt zu, von Norden nach Süden. Die Kelten, sesshaft im Herzen Europas, in Österreich (mit Südtirol und Böhmen), Schweiz, Deutschland, Frankreich, Spanien, sind die am meisten unterschätzte Kulturschmiede Europas – ja, auch die der Kultur der Römer (von der Prägung bretonisch-gälisch-irischer Gebiete nicht zu reden).