Der Mensch macht weder das Wetter noch das Klima. Auch wenn uns falsche Propheten das Fürchten lehren wollen.
Kürzlich war in der „Dolomiten“ ein Geleitwort (Editorial) von Karl Tschurtschenthaler zu lesen, das Endzeitstimmung in Sachen Wetter und Klima versprüht. Hier mein virtueller Brief an den Journalisten, den ich gerne aus seiner abgrundtiefen Verzagtheit holen möchte. Die Kolumne ist ganz unten wörtlich zitiert.
Lieber Herr Tschurtschenthaler,
„langsamer – weniger – besser – schöner“: Ja, das täte gut in dieser verrückten Zeit, da wird ihnen kaum jemand widersprechen. Aber sehen Sie, diese Begriffskette steht im evolutionären Komparativ, da steht kein apodiktischer Superlativ, kein verzweifeltes „noch nie“. Die Verzagtheit in Ihrem Geleitwort und der geradezu religiöse Ausruf „Noch nie waren wir schuldiger an der Klimakatastrophe“ verträgt sich weder mit einer zuversichtlichen und schrittweisen Verbesserung, noch mit einer ausgewogenen Wirklichkeitsbetrachtung. Ich frage mich, welche ungenannten „Wissenschaftler“ Ihnen dermaßen das Fürchten gelehrt haben. Oder sind sie als Vielleser Opfer der Medien-Bias? Sie schreiben: „Noch nie, habe ich gelesen, wurde so viel gefahren und geflogen wie heute“. Na klar, wir waren auch noch nie (bald) acht Milliarden Menschen auf dieser Erde. Hervorgebracht durch bessere Ernährung, bessere Medizin, kurz den Fortschritt, den Sie für sich und Ihre Liebsten sicher nicht missen möchten. Sie meinen: „Noch nie war unsere Luft schlechter, waren unsere Meere schmutziger, unsere Böden verseuchter, war unsere Welt heißer.“ Punktuell mag das so sein, ohne Zweifel, aber so apodiktisch behauptet stimmt es einfach nicht. Die Themse vor 200 Jahren war eine selbstentzündende Kloake, Bozen vor 60 Jahren ein Glutofen voller stinkender Abgase. Ihre Worte blenden eine Reihe von positiven Faktoren aus, u. a. den steigenden Wohlstand der ehemals Dritten Welt oder die Erfolge der Industriegesellschaften für saubere Technologien.
Und dann kommen Sie zum Wetter in Südtirol – und scheinen endgültig den Kopf zu verlieren. Unterm Strich der blumigen Katastrophenschilderung: Das Wetter ist Ihnen zu unregelmäßig, zu gefährlich. Sie fühlen sich schuldig. Ist da nicht ein bissl Selbstüberschätzung dabei? Macht vielleicht der Mensch Wetter und Klima? (Gewiss, falsche Propheten wollen das glauben machen, und mit dem Geo-Engeneering versucht der Mensch ganz heimlich Gott zu spielen, das stimmt).
Aber warum werden seit Jahrhunderten Bittprozessionen abgehalten und Gott und alle guten Geister um eine gute Witterung angefleht? Ja, weil das Wetter immer schon ein Ungeheuer war. Es kann nicht immer nur beständig milder Sonnenschein herrschen für den eigenen Wohlfühlgarten! Ein einziger Vulkanausbruch, für den kein Mensch etwas kann, zaubert Ihnen jede beliebige „Klimakatastrophe“ her. Ein einziger Vulkan im fernen Pazifik reicht, um Ihre Büßersehnsucht zu stillen. Dabei ist es schlicht und einfach nur das Leben unseres Planeten, das wir Menschen miterleben, als seine großzügig bewirteten Gäste. Überlegen sie einmal, wie sehr unsere Alltagskultur – vom einfachen Regenschirm über Kleidung, Bauten, Ernährung und Bräuche – Zeugnis dafür ist, dass der Mensch immer schon gegen das Klima gekämpft und immer schon eine Lösung für Alles gefunden hat. Es gibt keinen Grund, sich holterdipolter in ein Bärenfell zu hüllen und mit Holzkeule auf Hasenjagd am Pragser Wildsee zu gehen oder die Frauen zum Beerensammeln zu schicken. Wäre alles langsamer und schöner, aber garantiert „weniger“. Alles in Allem: Ihre abergläubische Endzeitstimmung klingt so, als ob sie gerade erst den Vortrag einer „Klima-Koryphäe“ besucht hätten.
Hier die Editorial-Kolumne der „Dolomiten“ im Wortlaut.
„Langsamer, weniger, besser, schöner – Corona, so dachten wir einmal, sei ein Einschnitt. Ein Wendepunkt. Eine Zeit, die uns nachhaltig verändern werde. Uns alle. 4 Jahre später ist allerdings alles beim Alten. Nichts hat sich verändert. Im Gegenteil: Wir rasen noch schneller. Leben noch rücksichtsloser. Beuten unsere Erde noch mehr aus. Noch nie, habe ich gelesen, wurde so viel gefahren und geflogen wie heute. Noch nie war unsere Luft schlechter, waren unsere Meere schmutziger, unsere Böden verseuchter, war unsere Welt heißer. Noch nie waren wir schuldiger an der Klimakatastrophe. Die auch Südtirol trifft. Die uns lange Regenzeiten bringt. Dann Hitze. Und jetzt fast täglich Unwetter – mit Sturzfluten, Muren, fallenden Bäumen. Und das soll erst der Anfang sein, sagen Wissenschaftler. Ich fürchte, sie haben recht. Deshalb müssen wir uns ändern. Jetzt. Und sofort. Und uns das zu Herzen nehmen, was uns der unvergessene Hans Glauber als Vermächtnis hinterlassen hat, wenn er vor Jahrzehnten ein Langsamer forderte und ein Weniger, das ein Besser und Schöner bringe.“
DOLOMITEN, 22 jul 24, von karl.tschurtschenthaler@athesia.it