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KARLO ET LODHUUIGH

Georg Dekas
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14. Februar 2023

Straßburg/Argentaria. 14. Feber 842. Zwei Brüder kommen zusammen, um einander Treue und Beistand zu schwören.

Gegen ihren ältesten Bruder Lothar. Der ist Chef aller Franken. Aber Ludwig und der junge Karl wollen ihren Teil vom Reich.Sie tun sich gegen Lothar zusammen. Ein Jahr später gelingt ihr Plan. Karl wird König im Westen (Frankreich), Ludwig wird König im Osten (Deutschland). König Lothar behält die Mitte (Lothringen, Italien). 

Die «Straßburger Eide» von Karl und Ludwig und ihren Gefolgen sind ein Markstein der europäischen Geschichte und ein Denkmal der deutschen und der französischen Sprache. Politisch gesehen ist es ein Vertrag, ein Beistandspakt. Hochkonzentriert auf das Wesentliche, hochpoetisch, wunderschön in Wort und Gestalt. 

Die Überlieferung der «Straßburger Eide» verdanken wir Nithard, auch er ein Enkel Karl des Großen. Der gebildete Gefolgsmann und Berater des 18jährigen Karl ist mit von der Partie und soll das Ereignis aufgeschrieben haben. Erst zweihundert Jahre später wurde es auf das heute erhaltene Schriftstück übertragen. Es ist in Paris aufbewahrt. Der Eid des «deutschen» Ludwig ist übrigens der erste schriftliche Text in altfranzösischer Sprache.

Karl, genannt der Kahle, ist 18. Sein Stiefbruder Ludwig, genannt der Deutsche ist schon 36. Den Eid sprechen sie jeweils in der Sprache des anderen, gemeint in der Sprache der vom anderen beanspruchten Reichshälfte, denn zweisprachig sind sie selber allemal. Der «deutsche» Ludwig beginnt und spricht den Eid auf Altfranzösisch, der Franzosen-Karl folgt und spricht denselben Eid auf Althochdeutsch.

Beide sind mit ihrem Gefolge angereist. Die Heere leisten dem Bündnispartner ihren Treueschwur in der eigenen Muttersprache: (Alt)französisch die aus dem gallischen Westen, (Alt)deutsch die aus dem germanischen Osten. Aus dieser vierfachen Verschränkung entsteht eindrucksvoll das Bild einer respektvollen Anerkennung der Verschiedenheit bei voller Wahrung der Eigenheit. Das europäische Urmodell sozusagen. 

 

Würdigung der Zweisprachigkeit

Die Straßburger Eide sind wahre Kostbarkeiten der Sprachgeschichte. Als Südtiroler bereitet es mir besondere Freude, im Altfranzösischen unser Ladinisch herauszuhören und im Althochdeutschen die Urformen meiner Muttersprache. Gerade in Bezug auf das politische Südtirol bleibt anzumerken: Die verschränkte Architektur der Eide vermittelt modellhaft eine gleichberechtigte Zweisprachigkeit, die in Europa 1200 Jahre später und besonders in Südtirol noch immer Mangelware ist.

 

Eid der Könige

Ludwig der Deutsche beginnt. Er spricht den Eid in der Sprache von Karls Reichsgebiet auf Altfranzösisch, «romana lingua»:

 

zitat

Pro Deo amur et pro christian poblo et nostro comun salvament, d’ist di in avant, in quant Deus savir et podir me dunat, si salvarai eo cist meon fradre Karlo et in aiudha et in cadhuna cosa, si cum om per dreit son fradra salvar dist, in o quid il mi altresi fazet, et ab Ludher nul plaid nunquam prindrai, qui meon vol, cist meon fradre Karle in damno sit.

Bruder Karl spricht daraufhin in der Sprache von Ludwigs Reichsgebiet die gleichen Worte auf Deutsch, «teudisca lingua»:

 

 

zitat

In Godes minna ind in thes christianes folches ind unser bedhero gehaltnissi, fon thesemo dage frammordes, so fram so mir Got geuuizci indi mahd furgibit, so haldih thesan minan bruodher, soso man mit rehtu sinan bruher scal, in thiu thaz er mig sosama duo, indi mit Ludheren in nohheiniu thing ne gegango, the minan uuillon imo ce scadhen uuerhen.

Eid der Heere

Karls ‚französisches‘ Gefolge schwört dem ‚deutschen’ Ludwig Beistand in der eigenen Muttersprache.

zitat

Si Lodhuuigs sagrament que son fradre Karlo iurat, conseruat, et Karlus meos sendra de sua part non los tanit, si io returnar non l’int pois, ne io ne neuls, cui eo returnar int pois, in nulla aiudha contra Lodhuuuig nun li iu er.

Ludwigs ‚deutsches‘ Gefolge schwört das Gleiche dem ‚französischen‘ Karl in der eigenen Muttersprache.

zitat

Oba Karl then eid, then er sinemo bruodher Ludhuuunige gesuor, geleistit, indi Ludhuuuig min herro, then er imo gesuor, forbrihchit, ob ih inan es iruuenden nemag, noh ih noh thero nohhein, the ih es iruuenden mag, uuidhar Karle imo ce follusti neuuirdhit.

Nach dem vierfachen, wechselseitigen Treueschwur ziehen die Herrscher mit ihren Gefolgen von dannen, heißt es in der Nithard-Niederschrift:

«Quibus peractis Lodhuuuicus Reno tenus per Spiram, et Karolus iuxta Uuasagum per Uuizzunburg Uuarmatiam iter direxit.»

Ludwig der Deutsche zieht den Rhein abwärts nach Speyr, Karl der Franzose über die Vogesen und Luxemburg nach Worms.

 

Für die Übersetzung der Eide sehe nachstehende Quellen.


 

QUELLEN

Der Nithard-Text:

Dichtung im Mittelalter, Goedeke, Karl ; Oesterley, Hermann, Leipzig 1871 Digital Tessmann

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Gute Gesamtdarstellung hier:

Die Straßburger Eide DHM.DE

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Für die Übersetzung ins Deutsche:

KOTOBA, Bd. V. Erinnerungstexte, Varese 2012, Hans Drumbl et al. SEITEN 15 UND 16

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Zwei Modelle für die Schreibweise der Eide:

deutsch

Titus Frankfurt, 2021

italienisch

Omero Pisa

 

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Übersetzung Deutsch in KOTOBA

Da Ludwig der ältere war, beschwor er als erster, dass er fortan Folgendes innehalten würde: 

Um der Liebe  Gottes willen und für des Christenvolkes und unser  beider Seelenheil, werde ich von diesem Tage an, so mir Gott die  Einsicht und die Fähigkeit verleiht, diesen meinen Bruder so beschirmen, wie ein Mann von Rechts wegen seinen Bruder schützen soll, damit er an mir ebenso handle, und werde mit Lothar in keine Verhandlung eintreten, durch die ich absichtlich ihm, Karl, einen Schaden zufügen könnte

Als Ludwig so geendet hatte, leistete Karl ebenso in deutscher Sprache den folgenden Eid: 

Um  der  Liebe  Gottes  willen  und  für  des  Christenvolkes  und  unser  beider  Seelenheil,  werde ich  von  diesem  Tage  an,  so  mir  Gott  die  Einsicht  und  die  Fähigkeit  verleiht,  diesen  meinen Bruder so beschirmen, wie ein Mann von Rechts wegen seinen Bruder schützen soll, damit er an  mir  ebenso  handle,  und  werde  mit  Lothar  in  keine Verhandlung eintreten, durch die ich absichtlich ihm, Ludwig, einen Schaden zufügen könnte. 

Der Eid aber, den die Heere der beiden, jedes in seiner eigenen Sprache, leisteten, lautete in romanischer Sprache, wie folgt:  

Wenn Ludwig den Eid, den er seinem Bruder Karl geschworen, hält und Karl, mein Herr, den Eid, den er ihm geschworen hat, bricht, wenn ich ihn davon nicht abbringen kann: Weder ich noch irgendeiner, den ich davon zurückhalten kann, werden ihm gegen Ludwig Hilfe leisten. 

In deutscher Sprache aber: 

Wenn Karl den Eid, den er seinem Bruder Ludwig geschworen, hält und Ludwig, mein Herr, den Eid, den er ihm geschworen hat, bricht, wenn ich ihn davon nicht abbringen kann: Weder ich noch irgendeiner, den ich davon zurückhalten kann, werden ihm gegen Karl Hilfe leisten. 

Nach diesen Ereignissen wandte sich Ludwig rheinabwärts über Speyer, Karl an den Vogesen entlang über Weißenburg nach Worms.

[nach: Hans Eggers (1986), Deutsche Sprachgeschichte, Bd. I, Reinbek: Rowohlt,  S. 255 f.]

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