«Kulturschaffende» kritisieren die «geschätzte» SVP vernichtend, aber wenig kunstvoll.
Lokale K-schaffende haben mir am Sonntag abend etwas Kurzweil geschenkt mit einem «Offenen Brief». Ich durfte 195 Namen lesen und zu etlichen sagen, ah-du-a-do, hoi griasti.
Leider ist der Brief, den sie zeichnen, weder kulturschaffend noch kunstvoll, dafür aber durchtränkt von einem politischen Dilettantismus der Sonderklasse. So dass man den K’s zurufen möchte: Niemand verlangt von Euch, großwas von Politik, Wissenschaft und Putin zu verstehen, niemand verlangt von euch, hetero, prokreativ und maskulin zu sein – bleibt einfach bei dem, was ihr könnt und was immer beeindruckt: Kunst.
Hätten die K’s die «geschätzte» SVP angefleht, in zukünftigen Koalitionen mehr Kultur zu zeigen, hätte jedermann die Aktion der 195 nicht nur verstanden, sondern sogar unterstützt. Geworden ist daraus ein larmoyanter, erbärmlich zusammengeflickter Ruf nach fortgesetzter Subvention, gespickt mit Invektiven.
Ich halte nicht viel von Staatskunst (Landeskunst). Ich glaube, der Mensch hat ein natürliches Bedürfnis nach Schönheit, Erhabenheit, nach Unterhaltung ziemlich oberhalb der Gürtellinie. Dafür gibt es immer einen Markt. Wenn auch nicht für alle beliebigen Darbietungen. Aber für gute Kunst zahlen die Leute gerne Eintritt, kaufen Bilder, spenden, usw. Sogar der künstlerische Eigensinn wird extrem belohnt, wenn er etwas Außerordentliches, Einzigartiges schafft. Dazu muss ein Kunstmacher aber viel können und leiden. Nur Mitglied im Club der Eigensinnigen sein ist zu wenig. Natürlich ist das hierzulande etwas Unerhörtes, hat es sich doch eingebürgert, dass die höhere Kunst ein mühsam alimentierter Nebenzweig der großen staatlichen Erziehungsanstalten Schule und Rundfunk ist, in denen das «Richtige» propagiert und eingebläut wird. Da werden geeignete, gerne auch bettelnde Künstler von beflissenen Staatsdienern auserkoren und von Bückling zu Bückling, von Party zu Party beauftragt, bis die Bevorzugten fast an die Grenze der geistigen Inzucht stoßen. Das äußert sich banal darin, dass man sich untereinander belobigt und die gewissen, familiären Ansichten klont wie es die Ribonukleinsäuren tun, so getreu, bis niemand mehr aus dem Kreis austreten kann, ohne dem sozialen Tod ins Auge zu schauen.
Wer diesen Stuhlkreis verschmäht oder ihm die Mittel entziehen möchte, der macht wahrscheinlich eine «kunstfeindliche Kulturpolitik», wie die 195 sagen. Die Kernaussage im «Offenen Brief» vom 2. Adventssonntag ist ohnehin nur diese: «Als Kunst- und Kulturschaffende setzen wir uns ein für den Schutz unserer Existenzgrundlagen.» Passt, das ist leicht zu verstehen, aber dafür braucht es doch nicht dieses schmalzige, diverse Politikgedöns mit unwahren Behauptungen und das besserwisserische Echauffieren rund ums Klima herum, oder? Übrigens hatte ich bis dahin keinen Schimmer davon, wie sehr unseren K-schaffenden die alte, wohl geliebte und vielfach gewählte Südtiroler Volkspartei am Herzen liegt. Rührend, wie sich die 195 um das Edelweiß bemühen.
Hier ist der «Offene Brief» – allerdings nicht im (schier unendlichen) Wortlaut, sondern «bereinigt». «Ristretto», sagt der italienische Kaffeeliebhaber:
„Sehr geehrter Herr Landeshauptmann Arno Kompatscher und Südtiroler Volkspartei! Als Kunst- und Kulturschaffende setzen wir uns ein für den Schutz unserer Existenzgrundlagen. Koalitionsverhandlungen mit rechtsextremen, nationalistischen, antieuropäischen, wissenschaftsleugnenden, antifeministischen, homophoben und rassistischen Parteien sind damit nicht vereinbar. Fratelli d’Italia verfolgt eine kunstfeindliche Kulturpolitik. Die Abgeordnete der Fratelli d’Italia im neu gewählten Südtiroler Landtag leugnet offen den menschengemachten Klimawandel. Die Lega ist rassistisch, (usw., meine Anm.) mit einem inakzeptablen Naheverhältnis zu Putin. Die Freiheitlichen stehen für die Einschränkung der Mehrsprachigkeit an Südtirols Schulen mit ausschließlich muttersprachlichem Fachunterricht. Es ist für uns nicht erkennbar, wie mit diesen Parteien die Weichen für ein zukunftsfähiges Südtirol gestellt werden können. Die Vereinten Nationen haben erst vor wenigen Tagen wieder eindringlich gewarnt: wir sind auf dem Weg in eine 3 Grad heißere Welt. In einer solchen Welt wollen wir nicht leben. (Merkel-Sprech, meine Anm.). Wer denkt, die Klimakrise könne noch 5 Jahre warten ist in einem folgenschweren Irrtum. Wir stehen vor der Wahl zwischen einer Politik im Interesse des Gemeinwohls und einer rückwärts gewandten Politik. Sehr geehrter Herr Kompatscher und Südtiroler Volkspartei: Autonomie und ihr Ausbau ist auch uns wichtig, aber nicht mit Rechtspopulisten und rechtsextremen Parteien, die sich außerhalb der demokratischen Grundordnung bewegen. Bilden Sie jetzt Mehrheiten, die soziale, ökologische und wirtschaftliche Nachhaltigkeit umsetzen können. Noch ist es nicht zu spät.“