Akademiker, die politisch in Rotte auftreten, reizen zu unfrommen Betrachtungen.
Zur Einübung lese man die Titel und Namen im blauen Kasten folgender Veröffentlichung:
SALTO „Wird unsere Gesellschaft spalten“ – Nach den Kulturschaffenden wenden sich jetzt auch über 100 Südtiroler WissenschaftlerInnen in einem offenen Brief an Arno Kompatscher gegen die Rechts-Rechts-Koalition. Von Christoph Franceschini, 14.12.2023
Gschaftler?
Das erste ist die Wortberichtigung von „Wissenschaftler“ auf „Wissenschafter“. Karl Kraus hatte absolut Recht mit seiner Beobachtung. Im Süddeutschen steht der „Gschaftler“ viel zu nah am Wissenschaftler. Auch am Marktler oder Trödler usw. Nicht umsonst sagt man inzwischen nicht mehr so oft Künstler, sondern Kunstschaffender. Südtiroler Zeitungsmacher sollten wissen, dass die österreichische, also unsere Standardsprache, ‚Wissenschafter‘ vorgibt.
Wer ist Wissenschafter?
Deckblatt
Zunehmend mehr Wissenschaftszweige führen die Eigenbezeichnung Wissenschaft als Feigenblatt. Mehr Imagepflege als zutreffendes Prädikat. Sie haben die Kunst erlernt, alle äußerlichen Insignien der Wissenschaft (Zählen, messen, Kurven zeichnen, Kunstbegriffe erfinden) für das Wiederkäuen banaler Alltagserkenntnisse oder das Verbrämen ideologischer Glaubenssätze einzusetzen. Zum wechselseitigen Frommen und Genuss und zur Achtungserheischung nach außen.
Die neue Papstkirche
Akademiker sind die Kleriker der Moderne. In Hochschulen und anderen öffentlichen, politisch finanzierten Lehr- und Forschungseinrichtungen hat sich längst (fortschreitend seit 1968) eine Kaste von Wissenschaftern gebildet, die mehr Ähnlichkeit mit den Amanuensen der mittelalterlichen Klöster haben als mit den Wissenschaftspionieren des 19. Und 20. Jahrhunderts. Die strukturelle Ähnlichkeit ergibt sich aus mehreren Blickwinkeln.
Verblüffende Analogien
Im vorindustriellen Zeitalter war die Kirche und ihre Würdenträger das, was heute Universitäten, Institute, Staatsminister und Rektoren sind. Das wichtigste für gescheit geborene Buben und Mädels, meist weichende Erben oder Besitzlose, war es über Jahrhunderte, einen Posten in Klöstern, Propsteien, Kurien und Kardinalshöfen zu erlangen und zeitlebens zu besetzen. Dafür betrieben sie „Wissenschaft“ im Kopieren von Schriften, im Anfertigen prächtiger Ornatskleider, im Studium der Arzneimittel, des Acker- und Gartenbaus, von Keller und Küche, der theologischen Schriften mit Auslegungen und Kommentaren, in der Kontemplation und Meditation, der Disputation metaphysischer Streitfragen (wieviel Engel passen auf eine Nadelspitze) bis hin zur Ökonomie der Gemeinschaftsgebilde im großen multinationalen Palast der Kirche. Dieses System der Kurien- und Ordensgelehrten ging extrem gut: Die Bauern lieferten den Lebensunterhalt, die Ablässe der Gläubigen Sünder die Kapitaldividende, woraus all die Petersdome sprossen. Wie die heutigen Akademiker trugen die Brüder und Schwestern, die Doctores und Exzellenzen besondere Roben, hatten die schönsten, unverständlichsten Titel und Funktionsbezeichnungen. Das meiste davon ein Selbstbeschäftigungsbetrieb mit höchst effizientem Imponiergehabe – eine untergegangene Welt, und dennoch so gleich wie die heutige Welt der akademischen „Wissenschaften“.
Die im Elfenbeinturm
Im 19. Jahrhundert, dem tätigen, nützlichen, mit Kapital und Eisenbahn vorwärts hastenden, nannte man Wissenschafter, die nicht alle Jahre ein Patent anmeldeten, spöttisch die „im Elfenbeinturm“. Die Herkunft dieser Redeweise ist gewiss, ihre Deutung erklären die Engländer schlüssiger als die Deutschen. Im Kern steckt der elfenbeinerne Turm des Schachspiels dahinter. (siehe Wikipedia unten). Keine weltfremden Spinner sind also gemeint, sondern System-Leute, die einen strategisch wichtigen Platz auf dem Schachbett der Gesellschaft einnehmen und ihre Macht wie ein Turm an der Seite von König und Dame ausspielen.
Postachtundsechziger
Neue, alte Türme also sind die oben zu lesenden „Wissenschafter“, die als Postachtundsechziger gegen Postfaschisten rebellieren. Ganz im Stil der von Greta revitalisierten Studentenproteste aus dem Jahr 1968. Damals wurden die Hochschulen des Westens und danach die Politik auf den Kopf gestellt. Heute ist ein Protest dieser Art eine manieristische Arabeske in Laurins Zwergenland.
Fussnoten/Quellen
Zu „Wissenschafter“
https://de.wikipedia.org/wiki/Wissenschaftler
„Wissenschaftler wird häufiger verwendet, insbesondere in der Alltagssprache und im Norden des deutschen Sprachraums, während Wissenschafter als standardsprachliche Variante in Österreich und in der Schweiz in Gebrauch ist. Der Duden führt beide Schreibweisen an. Gegen das „l“ wird seit Karl Kraus argumentiert, dass viele Wörter mit „ler“ einen abwertenden Beigeschmack hätten.
+++
Zu Akademiker ist nicht gleich Wissenschafter:
https://de.wikipedia.org/wiki/Wissenschaftler
„In praktischen Berufen aktive Personen wie Ärzte, Lehrer, Anwälte oder Apotheker haben zwar eine wissenschaftliche Ausbildung, werden aber, sofern sie nicht an Hochschulen oder Forschungsinstituten tätig sind, nicht zu den Wissenschaftlern gezählt.“
+++
Die Redewendung „im Elfenbeinturm“
https://en.wikipedia.org/wiki/Ivory_tower
The first modern usage of „ivory tower“ in the familiar sense of an unworldly dreamer can be found in a poem of 1837, „Pensées d’Août, à M. Villemain“, by Charles Augustin Sainte-Beuve, […] This poetic use of „tour d’ivoire“ may have been an allusion to the rook (or castle) in chess, which is another meaning of the French word tour. Chess pieces were often made of ivory. The name Rook is derived from the Persian rukh („chariot“), maybe influenced by the Italian rocca („fortress“). In early versions of chess, this piece was imagined as conveying and shielding a powerful warrior.
+++