Fenster am Bach- und Gerngut in Niederlana (c) dege

DER NAME KARNUTSCH

Georg Dekas
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20. Juni 2023

Karnutsch ist ein Südtiroler Familienname romanischen Ursprungs.

Bei geselligem Beisammensein in Ulten (17.06) hieß es, ein Förster wisse um den Ursprung des Namens Karnutsch. Seine Tante habe das gut erforscht. Demnach sei der Familienname aus dem slawischen Raum (Tschechisch? Böhmisch?) nach Meran gekommen, habe sich vom Burggrafenamt ins Vinschgau und von dort nach Ulten gestreut und sei von Ulten wieder nach Lana zurückgekehrt.

Der Punkt mit Fragezeichen ist lediglich die slawische Herkunft. Die Namensendung klingt verführerisch slawisch, das ja. Auch die Möglichkeit einer frühen Migration im Zuge der Religionskriege (17. Jh.) ist nicht auszuschließen. Zeugnisse zu Karnutsch habe ich bei meiner digitalen Recherche nur spärliche gefunden. Zur slawischen Abstammung gar keine, nicht einmal Indizien. Der slawischen Hypothese steht ein starkes Argument entgegen: die rätoromanische Sprache unserer Vorfahren – nicht nur in den ladinischen Tälern, sondern auch in den längst verdeutschten Tälern und Hochebenen wie dem Vintschgau oder dem Kastelruther Hochplateau.

 

Niglutsch wie Karnutsch

Als ersten Zeugen für die rätoromanische Spur rufe ich Herrn Eduard Niglutsch auf: Ein in den 1870ern bekannter Bergsteiger, der neue Routen vor allem in den Geisler-Spitzen erschlossen hat (Sass Rigais im Winter 1878), und der in Bozen Weinhändler und Feuerwehrmann war (gestorben im Jahr 1890). Daneben gibt es andere Niglutsch, einen Theologieprofessor in Trient etwa. Nach der Slawen-Hypothese müsste der Name Niglutsch so wie Karnutsch aus dem Osten zugewandert sein. Tatsächlich aber ist der Name Niglutsch im Verzeichnis der alten Höfenamen im unteren Eisacktal seit Langem bekannt und etymologisch leicht herleitbar. Dazu ein Stück Höfe-Geschichte von Tarneller:

Textauszug

1032. Ladins. 1780 Ladins, 1610 Balser Nielutsch iez Ladinser […]

1033. Niglutsch. 1780 Niclutsch, 1650 Hans Niclutsch h. i. den hof Niclutsch, mer das guet Standeray u. Freyenweg, 1553 Nico lutsch, 1486 Niclas von Nicklawtschen, 1486 der hof zu Mos alias zuo dem Niclutsch. In Lusern wurde Nikolaus zu Nicolussi.

1034. Niglal. 1780 Niglal (Acker auf Spoy), 1578 guet zum Niclälen, 1497 Niclall, 1487 Nickla. — 1583 guet Bischofai, 1497 guot Bischofay ober Standeray.

1037. Standerai (Tusch). 1780 Standerai (die Behausung neu erpaut), 1610 Balthasar Niglutsch z. aus den guetern Standeray, 1546 hof ze Standeray (auch guet Tschanerdew)[…]

Quelle: J. Tarneller, Die alten Gerichte Kastelrut und Gufidaun. (Archiv für österreichische Geschichte; Hofnamen im untern Eisacktal, 1921 Seite 20/21

 

Mit dem berühmten Namensforscher Josef Tarneller ist festzuhalten, dass Niglutsch die romanische Verkleinerungs- bzw. Koseform von Nikolaus ist, im heutigen Italienisch etwa Nicol-uccio. In Lusern, darauf weist Tarneller hin, ist aus Niglutsch Nicolussi geworden. Das leuchtet ein, weil die Veneter das gesprochene „tsch“ zum singenden „ss“ machen.

Dass der Balthasar Niglutsch (oder Balser Nielutsch) bereits 1610 seinen Namen in Ladinser umwandelt, ist für mich ein Zeichen dafür, dass der Name Niglutsch viel älter im Land beheimatet ist als 1610, und zweitens, dass die romanischen Namen jener Zeit gerne zugunsten deutschfreundlicher Lautungen abgelegt werden.

Desgleichen taucht in Südtirol der Name Miglutsch auf, etwa beim Bau des Merkantilgebäudes in Bozen, Zitat: „Im November 1709 erscheint als Schlosser zunächst Christoph Miglutsch. Sein Name findet sich in den folgenden Jahren immer wieder“ (Festschrift Handelskammer 1935)

Sollte das „M“ nicht eine bloße Abwandlung vom „N“ bei Niglutsch sein, so ergibt sich aufgrund obiger Herleitung von selbst, dass es sich hier um die Kose- und Verkleinerungsform von Michael, Michel, Michl handelt.

Aufgrund dieser handfesten Indizien möchte ich davon ausgehen, dass der Name Karnutsch die gleiche Wurzel hat wie Niglutsch, und dass die Endung -utsch auf jeden Fall die Koseform -uccio darstellt.

Damit sind Familiennamen auf -utsch uralte, längst eingesessene, romanische Namen.

Jetzt ist lediglich die Frage offen, welcher Eigennamen der Verkleinerungsform vorsteht. Es bietet sich an Karl – also Carluccio, das verdeutscht zu Karlutsch und vielleicht später zu Karnutsch wurde (sehr unwahrscheinlich). Viel eher bietet sich der römische Gentil-Name Carnius an (vgl. Ch. Schneller, 1890). Da ist der lautliche Übergang glatt und gerade nachvollziehbar.

 

Carnius

Nicht nur bietet der Geschlechter-Name Carnius den idealen Einstieg in den Namen Karnutsch. Er versöhnt auch mit der Vorstellung, die Karnutsch seien aus dem Osten gekommen.

Wie die Karnischen Alpen und der alte Name für Kärnten, oder seine Hauptstadt Carnuntum, hinreichend bezeugen, kommen die „Karnier“ und vielleicht auch die Vinschger „Karrner“ tatsächlich aus dem Osten – jedoch nicht aus slawischen Gebieten, sondern aus den von keltischen Stämmen zur Römerzeit besiedelten Gebieten in Kärnten, Slowenien und Friaul. Carnius heißt demnach der aus der Region „Carnia“ oder vom keltischen Volksstamm der Karnier Stammende.

 

Romanische Endungen verschwinden

Im Zuge der Verdeutschung unserer Täler, die ja über mehrere Jahrhunderte angedauert und fließend vonstatten ging, ist auch leicht vorstellbar, dass sich die alten romanischen Endungen auf -utsch, -atsch -itsch (-uccio, -iccio, accio) gerade in jenen Gegenden länger als anderswo gehalten haben, wo das Rätische noch lange virulent war: so auf dem Kastelruther Plateau oder im oberen Vinschgau. Im „deutscheren“ Burggrafenamt wurde der romanische Name aus Anpassungsgründen gerne „unter den Teppich gekehrt“, wie wir aus der Hochzeitseinladung des Philipp Pföstl aus Schenna aus dem Jahr 1597 entnehmen können (siehe gleich weiter unten).

 

Ältere Fundstellen für Karnutsch

Ansonsten findet sich der Familienname Karnutsch sehr früh im Vinschgau, z.B. 1802 „der von Kortsch dies Landgericht gebürtige Kaspar Karnutsch“(Innsbrucker Wochenblatt 27.12.1802). Da die Familien des Vinschgau und des Ultentals seit urdenklichen Zeiten über die Jöcher heirateten, ist der Name Karnutsch in Ulten ansässig geworden, Bsp. „Sterbefall: Josef Karnutsch, Gymnasialschüler aus St. Walburg in Ulten, 16 Jahre alt, an Meningitis.“ (Der Burggräfler 08.03.1884)

Aus dem Ulten sind die Karnutsch wahrscheinlich nach Lana „herausgekommen“ – aber nicht wie die Lösch, Staffler und Schwienbacher erst in der Gründerzeit, sondern viel, viel früher, wie der „Schöpfer“ beweist. „Vilg Karnutsch jetzt Schöpfer und seine Hausfrau.“(Der Burggräfler 22.09.1897/Beilage: „Eine Hochzeit im Burggrafenamte anno 1597“)

Der Edle Philipp Pföstl in Schenna hatte geladen. Da bei dieser Nobelhochzeit auch Gäste aus Tscherms (Innerhofer) und anderen Orten aufscheinen, vermute ich, dass es sich beim „Schöpfer“ tatsächlich um unseren Nachbar, den Ansitz Schöpfer in der Vill von Lana (heute Stauder) handeln könnte. Zum Ende meiner kleinen Karnutsch-Recherche noch ein Hinweis auf Güter (fett hervorgehoben) des Bach- und Gerngutes in Niederlana.

„Edikt – Auf Ansuchen der Geschwister Karnutsch in Nieder-Lana wird in in die freiwillige Versteigerung des denselben laut brüderlich Josef Karnutsch‘s Einantwortung vom 29 April 1858 eigenthümlichen  Gern- und Bachgute Cat. … ein Acker der Holerauth… eine Frühwiese… ein Acker und Weinbau der Stauderacker eine Wiese die Lagreiden genannt … gewilliget und … beim Hasenwirthe in Niederlana um den Ausrufspreis pr. 5250 fl ö. W. …. vorgenommen … K. K. Bezirksamt Lana als Gericht am 26. Juli 1862. Kaneider.“ (Bozner Zeitung 05.08.1862)

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Sämtliche Quellenauszüge stammen von tessmann.digital.it mit verbindlichem Dank. (Lana, 20.06.2023, dege)

 

 

Ansitz Bach- und Gerngut, Niederlana 2023 (c) dege
Die letzten Apfelbäume in Lanan stehen noch am Bach- und Gerngut 2023 (c) dege
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