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WAHLBETEILIGUNG

Georg Dekas
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12. Juni 2024

Wählen ist ein Recht, aber auch eine Pflicht. Die Hälfte der Leute kümmert das nicht. Mag regieren wer will.

Allenthalben wird die fortwährend sinkende Ausübung des Wahlrechts und der Wahlpflicht durch die wahlberechtigten Bürger beklagt. In Südtirol ist bei den Europawahlen am 8. und 9. Juni 2024 erstmals die magische Marke von 50% Wahlbeteiligung nach unten durchbrochen worden. Das ist neu, denn die Südtiroler gelten als fleißige Wähler.

Doch zum Klagen besteht kein Grund – außer aus Wehmut über vergangene 80% Wahlbeteiligung bis in die 1980er Jahre herauf. Lange war die Angst vor dem Kommunismus brandheiß in Westeuropa. Der frisch erworbene Wohlstand war in Gefahr. Nur die Gefahr, die Not und die Angst vor Verlust treibt die Menschen zu Höchstleistungen, – also auch in die Wahlkabine.

Bestes Beispiel: Bei der Reichtagswahl am 5. März 1933 war die  Wahlbeteiligung auf 88,74 % angestiegen (+ 8,2 Prozentpunkte). Wo kein Schuh drückt und alle gleich nett zueinander sind, so dass die Leute nur mehr Koks, Sex und Regenbogen im Kopf haben, da fehlt jeglicher Anreiz für eine existentielle Mobilmachung. In Österreich war das Interesse an EU-Wahlen am geringsten, als es den Leuten ökonomisch am besten ging: Im Jahr 2004 gaben nur 42,4 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme bei der EU-Wahl ab.

Sicher, je weniger Leute an der Wahl der Repräsentanten des Souveräns teilnehmen, um so mehr neigt sich die Politik von der Demokratie hin zur Oligarchie. Aber diesen Vorgang haben in den hochentwickelten Ländern ja die Konzerne, Weltorganisationen und die Technologien bereits vollzogen, das hat Covid bewiesen. Eine gewisse Resignation ist da schon eingetreten, bei den Nichtwählern. Aber das ist längst nicht alles. Sobald es um Brenzliges wie Eigentum und das eigene Konto geht, dreht die Stimmung. So wie am 9. Juni 2024 in Deutschland, das gerade von den Kartell-Parteien geschreddert wird. Zu langsam wacht der deutsche Michel auf und siehe da, die Wahlbeteiligung steigt (leicht, aber doch).

Wobei es auch andersrum geht: Wenn Politiker die richtigen Tasten und Töne finden, das Volk sich verstanden und vertreten fühlt, dann entsteht Schwung, ja Begeisterung. In Italien zieht Meloni die Motivation hoch, in Wien Kickl, in Budapest Orban. Klar ersichtlich am jeweiligen prozentuellen Zuspruch, nicht unbedingt an der Wahlbeteiligung. Aber Begeisterung, das darf es im linksgrünen Villenviertel ja gar nicht geben, das riecht schon streng nach Nazi. Viel lieber gibt man sich der Empörung hin und der verbalen Vivisektion des politischen Gegners.

Der Innsbrucker Professor Pelinka pflegte zu sagen: Was ist besser, wenn in den USA ein Roosevelt mit 52% Wahlbeteiligung gewählt wird, oder im Deutschen Reich ein Adolf Hitler mit 88%? Wenn sich also Mitteleuropa im Jahr 2024 rund um die Marke 50% Wahlbeteiligung bewegt, sind wir in der «aurea mediocritas», der goldenen Mitte der parlamentarischen Teilhabe.  

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Daten zur Wahlbeteiligung in Europa hier

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US- Präsidentschaftswahlen 1932 (erstmals Roosevelt) WB 52,6% doc hier

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