Jetzt werden „unabhängige“ Experten aufgestellt, um die von der Politik brennend gewollte Standseilbahn nach Schenna als Mehrwert für alle zu verkaufen.
Zwei ältere Herren und ein geschleckter junger schauen ernst aus der ‚Dolomiten‘ (14. Juli, Seite 22). Sie haben die Meraner Redaktion des Tagblattes zum Interview gebeten. Man darf ruhig sagen: Zu einem Gefälligkeits-Interview:
«Ein Mehrwert ist für alle da»
meinen Redakteur und Promotoren der von der Politik so brennend gewollten Standseilbahn von Meran nach Schenna. Das Kürzel (ber) muss wohl für einen gut instruierten Sommerpraktikanten stehen, denn so leicht, wie sie dem einen Bären aufgebunden haben, das muss man erst einmal suchen. Allein schon der Titel ist nicht mehr als eine haltlose Behauptung der Promotoren – aber, da in Anführungszeichen gesetzt, journalistisch vertretbar. Die redaktionelle Gefälligkeit zeigt sich dann allerdings umso frecher bereits im Untertitel:
«Bezirksgemeinschaft Burggrafenamt gibt unabhängige Bewertung in Auftrag.»
Entweder ist eine Untersuchung unabhängig oder sie wird vom Interessierten in Auftrag gegeben, aber dann ist sie nicht mehr unabhängig. Im Artikel wird die Rosstäuschung noch verstärkt, Zitat:
«Die Bezirksgemeinschaft beauftragte deshalb den Schweizer Verkehrsingenieur Willi Hüsler, eine unabhängige und objektive Bewertung des Projekts abzugeben.»
Bei allem Respekt vor dem hoch angesehenen Ingenieur, aber es ist bekannt, dass Hüsler ein leidenschaftlicher Befürworter von Bahnen aller Art ist und den Individualverkehr stark begrenzen möchte. Von „objektiv“ kann also keine Rede sein. Das Urteil des Schweizer Experten ist so abenteuerlich wie die Behauptung von seiner Unabhängigkeit in diesem Fall. Die hohen Beschaffungskosten für die geplante Standseilbahn würden im Laufe der Zeit durch die geringen Betriebskosten ausgeglichen werden, behauptet der Bahnliebhaber im Auftrag der Bezirksgemeinschaft.
Und die Dolomiten schreibt fleißig mit. Wer glaubt, Redakteur (ber) würde vom «Experten» nähere Zahlen zu dieser kühnen Aussage erfragen, der bleibt auf dem Trockenen. Hinnehmen und schlucken, scheint die Devise zu sein. Aber was will man von einem Artikel erwarten, dessen erster Satz bereits ein Fake ist? Da heißt es, Zitat:
«die Standseilbahn von Meran über Dorf Tirol bis nach Schenna».
Das klingt wie eine tolle Rundumverbindung mit großem touristischen Potential. Deswegen heißt es am Ende des Artikels in einer Überschrift ja auch:
«Eine Chance für das Dreieck Meran – Tirol – Schenna».
Die Wirklichkeit ist bescheidener, aber deswegen nicht billiger und nicht besser: Die Seilbahn geht zwar über, oder besser gesagt durch den Segen-Bühel, der Gemeindegebiet Dorf Tirol ist, liegt aber weit weg vom Herzen Dorf Tirols. Das Ding ist und bleibt eine Rumpfbahn zwischen dem Hoteldorf Schenna und der Lazag. Die im Artikel genannten 90 Millionen Baukosten sind nebenbei so arg geschönt wie der Rest der Vorstellung.
Immerhin eine Neuigkeit hat der Gefälligkeitsartikel für uns bereit. Die Herrschaften von der Bezirksgemeinschaft legen jetzt die Betonung deutlich stärker auf den touristischen Wert des Projektes und lassen die Verkehrsberuhigung und Verminderung des Autoverkehrs zum Vorteil der Allgemeinheit schön langsam unter den Tisch fallen. Sie müssen zuletzt wohl eingesehen haben, dass dieses grandiose Feigenblatt am allerwenigsten dazu geeignet ist, die unerhörten Kosten dieses Luxusprojektes zu verdecken und verstecken. Nun wird die vom Land unbedingt gewollte Kurzstreckenbahn als «Mehrwert für alle» unter dem fragwürdigen Siegel des Expertentums wie sauer Bier angepriesen.
Aber, hochverehrte Promotoren, macht euch keine Sorgen. Die Auftragslage in den fünf Sterne Häusern rundum bricht ein, weil sich der deutsche Mittelstand die lieben, teuren Urlaube in Südtirol nicht mehr so recht leisten kann. Und wer noch kommt, und mit Bus und Bahn und Umsteigen sekkiert wird, und der überall daran gehindert wird, sein Automobil zu benutzen, der wird sich eine weitere Buchung in Schenna und Dorf Tirol erst recht überlegen. Umso stärker wird die Hotellerie im Panikmodus auf neue Attraktionen für ihre Gäste drängen. Und das Schennener Bahnl ist gewiss eine solche. Wir kleinen Leute täten sie der Gästewirtschaft ja auch gern vergönnen, wenn es nicht so eine unverschämte Fehlallokation von öffentlichen Mitteln wäre.
Politiker und Politicanti, die sich «ausrechnen», dass ein unterm Strich real 200 Millionen teures Bahnprojekt eine Lösung für Verkehr und Umsatz-Sorgen sein könnte, die leben in einer – ich sage nicht Märchen-, sondern in einer eigenen Welt. (Wie das bei der Politik immer öfter der Fall zu sein scheint.)
NACHTRAG
Zu meinen, die beauftragten «unabhängigen» Experten und die sie zahlenden Politiker müssten eines Tages Verantwortung für Aussagen und Versprechungen übernehmen, erweist sich meist als weitere Beschönigung. Jedenfalls solange Wahlen nur alle fünf Jahre stattfinden und das Füllhorn des «Pantalone», wie die Italiener so treffend den nimmermüden Steuerzahler nennen, so gut wie unerschöpflich ist. Ein wahrhaft unerschöpfliches Hosenrohr, mit dem die Bilanzlöcher von Standseilbahnen und chronisch defizitären Bus & Bahn-Linien jederzeit und über Jahre hinweg gestopft werden können. „Darf’s a bissl mehr sein?“