Aus: Lob der Torheit E. v. Rotterdam, 1511

SPOTTEN ABER RICHTIG

Georg Dekas
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15. März 2023

Wie spottet man richtig? Das Rezept ist 500 Jahre alt: “Solange der Witz nicht anfängt, Gift und Galle zu spritzen“. Sagt Erasmus von Rotterdam.

„Lob der Torheit“ von Erasmus von Rotterdam ist eines der vergnüglichsten Schriften zur Lebensweisheit, die im Abendland je geschrieben wurden. Und im Internet bequem zu lesen. Im Vorwort gibt Erasmus Tipps, wie man mit Witz, Spott und Satire kommunizieren sollte, ohne sich, Slapp! Slapp!, die eine und andere Ohrfeige einzuhandeln.

 

Was gar nicht geht

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Ernstes ins Lächerliche ziehen, ist freilich plump

Das ist die „Sünde“ der Anfänger, der Rachsüchtigen und der professionellen bundesdeutschen Krawallmacher à la Welke und Böhmermann.

 

Die Kunst der Satire ist

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Lächerliches so gestalten, daß nichts weniger als Lächerliches herausschaut

Würde in etwa dem britischen Humor entsprechen. Trocken, eine Prise Sarkasmus. Dinge sprechen lassen. Auf das Urteilsvermögen der Empfänger vertrauen.

 

Ewiger Vorwurf und Grundregel

 

Was man dem Spötter immer wieder vorwirft, das ist die Bosheit. Erasmus stellt dazu eine einfache Regel auf, die aus der Erfahrung stammt:

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Auf den Vorwurf der Bosheit wäre zu erwidern, daß man dem Witz noch stets erlaubt hat, sich ungestraft über das Treiben der Leute lustig zu machen, solange er nicht anfängt, Gift und Galle zu spritzen.

Ach, wenn doch die Adressaten des Spotts nicht gar so dünnhäutig wären!

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Um so stärker überrascht mich die Empfindlichkeit der modernen Ohren, die nichts mehr ertragen außer hochtrabenden Titulaturen, oder jene verkehrte Pietät, die schneller die gröbste Lästerung Christi verzeiht, als das feinste Tröpfchen Spott, das einen Prälaten oder Fürsten trifft, zumal in Sachen Finanzen.

Man sieht, die Athesia gab es schon vor 500 Jahren. Dennoch: Ein guter Spötter nennt selten Namen, dafür aber Gestalten und Typen.

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Wer ferner jeden Typus an die Reihe nimmt, zeigt damit, daß der Hieb nicht einem bestimmten Menschen gilt, sondern den Untugenden allgemein. Schreit also einer, er fühle sich getroffen, so verrät er nur ein schlechtes Gewissen oder Angst … Und in wieviel Gestalten bin ich nicht selber mein Opfer?

Abschließend so etwas wie das Kochrezept für Spitzensatire.

 

Die Goldene Mitte des Spotts

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Ich aber vermied alles Persönliche und mäßigte den Ausdruck so, daß jeder verständige Leser merkt, wieviel mehr ich unterhalten als wehtun wollte; nirgends rührte ich jenen dunkeln Bodensatz des Lasters auf wie Juvenal, und absichtlich nahm ich eher das Lächerliche als das Häßliche vor.

 

ERASMUS VON ROTTERDAM, Lob der Torheit/Widmung – „Geschrieben auf dem Lande“ 9. Juni 1511, zitiert nach Projekt Gutenberg

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